The Danish Girl

Trailer

1930 unterzog sich die intersexuelle Malerin Lili Elbe in Dresden mehreren geschlechtsangleichenden Operationen und schrieb über ihre Erfahrungen ein in viele Sprachen übersetztes Buch. Aus ihr wurde eine Romanfigur, anschließend verfilmte Tom Hooper die Metamorphose der Lili Elbe, die in einer unkonventionellen Beziehung mit der Künstlerin Gerda Gottlieb in Kopenhagen und Paris zusammen lebte. Eddie Redmayne wurde für seine Darstellung der Hauptfigur für den Oscar nominiert.

Foto: Universal Pictures

Es gibt nur ein richtiges Leben

von Michael Eckhardt

Ohne Umschweife: Man erliegt ihm sofort! Diesem Zwinkern, diesem Flirten, dieser nervenaufreibenden Melange aus unsicherer Jungenhaftigkeit und raubtiergelenker Virilität, die gerade aus ihrem androgynen Oberlack eine Kraft zieht, die im Kino momentan wohl einzigartig ist. Es war also gut, dass alles seine Zeit brauchte, eine Verfilmung vor einigen Jahren mit Nicole Kidman in der Titelrolle platzte, und Tom Hooper nun den einzig möglichen Schauspieler besetzte: Eddie Redmayne.

Er gibt den von der Kopenhagener Gesellschaft gefeierten Stimmungsmaler Einar Wegener, seine Frau Gerda steht ein wenig im künstlerischen Schatten. Eines Tages bittet sie ihn, für ein ausfallendes Modell einzuspringen: „Probierst Du bitte die Strümpfe an?“ Ein unschuldiger erster Schritt, der bei Einar Neugier und Spielfreude, schließlich Schwitzen und Erregung auslöst. Von diesem Tag an ist alles anders: Einar streichelt über Säume, streift Pelze, legt Leibchen mit Bedacht zusammen, betastet geradezu zärtlich Pailletten. Gerda sieht zuerst nur die spielerische Komponente, es entsteht die Figur Lili, man macht sich in der feinen Gesellschaft einen Spaß. Der erste Kuss als Lili ist aber eben ein ganz anderer, und was Gerda noch etwas linkisch beäugt und mit eher zögerlichem Witz quittiert, ist für Einar schneller klar: Das Tier ist raus!

Im Erzählstil ist Tom Hoopers Verfilmung eines Lebensabschnitts des Transgenderpioniers Einer Wegener/Lili Elbe konventionell geraten, wozu ein paar Redundanzen gehören, aber das Festhalten an der Chronologie trägt eben auch zur Glaubwürdigkeit einer derartigen Metamorphose bei. Eine Wandlung, die keine Mätzchen und Finten braucht, geht es doch um eine feindlich beäugte Selbstbestimmung, deren Weg gesäumt ist von hässlichen Menschen, Elektroschocks, Zwangsjacken und Verstümmelungen. Neben der Wucht der sich ja tatsächlich so ähnlich zugetragenen Geschichte besticht „The Danish Girl“ natürlich auch als Bilderfilm: Welch’ Blick auf edle Stoffe, Hüte und Mäntel, die Sicht auf den spartanischen Künstlerhaushalt, wobei die fast leeren, hochdeckigen Räume im Verlauf der Geschichte noch leerer wirken, zur Unterstreichung, dass Einar im Verschwinden ist.

Foto: Universal Pictures

Wir sind in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, natürlich war die Sehnsucht, immerzu alles klassifizieren zu können, eine große, die Offenheit „Neuem“ gegenüber eher mickrig. Die faszinierende Entpuppung geschieht ohne Pathos, schlicht beeindruckend ist, wie sich Lili in diesem emotionalen Obergau behauptet, in diesem Aushalten aller Widersprüche, diesem Verkraften seelischer Zerrwänste und dem Negieren jeder aufgesetzten Ratio, weil es für solche in Lilis Bestimmung gar keinen Platz geben kann. Das rührt enorm an, und es ringt unbedingten Respekt ab, da zu solcher Entscheidung, wie sie Lili Elbe traf, jede Menge Mut gehörte, selbst wenn es keine andere zu treffen galt. Oder wie sie selbst sagt: „Es gibt nur ein richtiges Leben.“

Wohltuend ordnet sich Alexandre Desplats Musik unter, große Momente müssen nicht größer orchestriert werden, dem ganzen Film ist eine schwer zu beschreibende Behutsamkeit eigen, die richtig ist. Womit wir wieder bei Eddie Redmayne sind: Wie er diese aufflammende Neugier, die Lust, die Freude und den Wohlgefallen am neuen Ich spielt, erinnert durchaus an das nuancierte Spiel Romain Duris’ in „Eine neue Freundin“ (2014), das hier zur Perfektion geführt wird. Redmaynes zarte, porzellanhaft-ätherischen Züge, die Wangenknochen, das Erröten, das Zögern, schließlich das Unabdingbare und eben im Spiel das Bewusstsein des Existenziellen – all das ist wahrlich atemberaubend!

 



The Danish Girl
von Tom Hooper
US/GB/DE 2015, 119 Minuten, FSK 6,
deutsche SF,

Universal Pictures

↑ nach oben