Literatur

Mads Ananda Lodahl: Sauna

Mads Ananda Lodahl: Sauna

In Dänemark sorgte Mads Ananda Lodahls Debütroman „Sauna“ für einiges Aufsehen. Die altehrwürdige Tageszeitung Politiken charakterisierte die Liebesgeschichte zwischen dem Studenten Johan und dem trans Mann William als „zarten, harten und erschütternden Roman, der nicht davor zurückschreckt, das infrage zu stellen, was wir für gegeben hinnehmen“, Regisseur Mathias Broe verarbeitete den Stoff in einer Verfilmung. Bevor letztere im November in den Kinos des deutschsprachigen Raums startet, kam im September bereits die deutsche Übersetzung des Romans von Andreas Donat heraus. Kevin Junk hat das Buch gelesen, mit den Protagonisten mitgefiebert und mitgelitten, vor allem aber eine Geschichte entdeckt, die bis jetzt viel zu selten erzählt wurde.
Andrew McMillan: Herzgrube

Andrew McMillan: Herzgrube

Ein Grubenunglück, das über Generationen hinweg Spuren hinterlässt. Ein Vater, der sein Schwulsein nur versteckt auslebt, anders als sein Sohn. Eine Drag Queen, die als Eiserne Lady queeren Stolz mit Polit-Aktivismus verbindet. Und ein Soziologie-Team, das den sozialen Abstieg einer nordenglischen Stadt aufarbeitet. In seinem autobiografisch unterfütterten Debütroman „Herzgrube“ führt Andrew McMillan alle Erzählfäden als vielstimmigen Chor zu einem großen Panorama zusammen. Axel Schock hat das Buch gelesen und darin ein Meisterstück der Komposition entdeckt.
Dino Heicker: Weltgeschichte der Queerness

Dino Heicker: Weltgeschichte der Queerness

Was für ein Versprechen: Die gesamte „Weltgeschichte der Queerness“ will Literaturhistoriker Dino Heicker in seinem neuen Buch aufrollen. Wie umfangreich muss ein solches Werk wohl sein? Zumal wenn der Autor vor den Kapiteln zu den alten Griechen und dem Römischen Reich auch noch die griechische Götterwelt und die Bibel auf ihren queeren Gehalt durchleuchtet. Axel Schock hat das 300-Seiten-Kompendium unter die Lupe genommen.
Blaise Campo Gacoscos: Der Junge aus Ilocos

Blaise Campo Gacoscos: Der Junge aus Ilocos

In der Kultur der Ilocanos im Nordwesten der Philippinen treffen uralte Traditionen auf die Einflüsse der modernen Hauptstadt Manila, landwirtschaftlicher Pragmatismus auf christliche Gottergebenheit. Victor ist ein Kind dieser Welt. Er wächst mit seiner Mutter, Bruder Raffy und den Großeltern am Quinarayan-Fluss auf. Schon früh ist er sich seiner Homosexualität bewusst – und spürt, dass draußen eine größere, vielleicht freiere Welt auf ihn wartet. Was diese Welt mit Victor macht, erzählt Blaise Campo Gacoscos in seinem Debütroman „Der Junge aus Ilocos“. Gabriel Wolkenfeld hat das Buch gelesen und verrät, warum es nicht nur im Hinblick auf den Gastlandauftritt der Philippinen bei der Frankfurter Buchmesse 2025 spannend ist.
Micha Riegel: Rauchzeichen für Rio

Micha Riegel: Rauchzeichen für Rio

Am 9. Januar 2025 wäre Rio Reiser 75 Jahre alt geworden. An den 1996 im Alter von nur 46 Jahren verstorbenen schwulen Sänger und ehemaligen Ton-Steine-Scherben-Frontmann erinnern dieser Tage nicht nur TV-Specials und Erinnerungskonzerte, sondern auch eine Reihe literarische Neuveröffentlichungen. Eine besonders liebevolle Hommage ist Micha Riegels Debütroman „Rauchzeichen für Rio“. Darin brechen die Straßenmusiker Samu und Lenni Mitte der Neunzigerjahre zu einem halsbrecherischen Roadtrip zur Landkommune nach Fresenhagen auf, wo Rio Reiser damals lebte, um „mal Hallo“ zu sagen. Auf dem Weg passieren ihnen lauter Dinge, von denen auch Rios Songs erzählen: emotionale Höhenflüge, menschliche Abgründe, das Scheitern, die Politik und – natürlich – die Liebe. Holger Brüns, der mit „Felix“ selbst einen teils von Scherben-Songs inspirierten Roman geschrieben hat, hat sich von „Rauchzeichen für Rio“ auf die Reise mitnehmen lassen.
Michael Sollorz: Abel und Joe

Michael Sollorz: Abel und Joe

Mit seinem Debütroman „Abel und Joe“ brachte der Berliner Autor Michael Sollorz 1994 das Lebensgefühl einer ganzen Generation schwuler Männer auf den Punkt. Die Geschichte über einen jungen Mann, der auf der Suche nach seinem Freund die Sehnsuchtsorte und Cruising-Spots im wiedervereinten Berlin durchstreift, wurde zum Dauerseller. Sie verschwand nur aus den Buchläden, weil der Verlag rosa Winkel, in dem sie erschienen war, Anfang der 2000er pleiteging. Jetzt, 30 Jahre nach der Erstausgabe und 35 Jahre nach dem Mauerfall, ist der Klassiker als Neuausgabe erschienen. Trifft er auch heute noch einen Nerv? Gabriel Wolkenfeld über ein noch immer waghalsiges und vor Potenz geradezu strotzendes Werk.
Hengameh Yaghoobifarah: Schwindel

Hengameh Yaghoobifarah: Schwindel

Freitagabend: Ava hat ein Date mit Robin. Alles läuft super, doch als unerwartet Avas aufgebrachte Liebhaber:innen Delia und Silvia auftauchen, ist es vorbei mit der Harmonie. Überstürzt flüchtet Ava in den 15. Stock aufs Dach, die anderen folgen. Als die Tür hinter ihnen zufällt, merken sie, dass sie in der Falle sitzen, denn in der Aufregung hat niemand einen Schlüssel oder ein Handy mit nach oben gebracht. Na dann, gute Nacht! Nachdem Hengameh Yaghoobifarahs gefeierter Debütroman „Ministerium der Träume“ Liebe und Schrecken im Schatten der Heimatlosigkeit beschwor, verhandelt der neue Roman „Schwindel“ im Rahmen eines zugespitzten „Locked in a room“-Szenarios die Macken und Tücken des Alltags in der queeren Bubble. Anja Kümmel hat sich in das klaustrophobische-komische Setting hineingewagt und einen literarischen Höhenrausch erlebt.
James Cahill: Tiepolo Blau

James Cahill: Tiepolo Blau

Der junge Kunstprofessor Don Lamb zerstört durch seine eigene Verbohrtheit den schützenden Kokon seines gediegenen Gelehrtendaseins und lernt dadurch zum ersten Mal die Verlockungen des schwulen Lebens kennen. Aber ist er ihnen auch gewachsen? Um diese Frage dreht sich James Cahills „Tod in Venedig“-Variation „Tiepolo Blau“, deren englisches Original Stephen Fry als „best novel I have read in ages“ bezeichnete. Nun gibt es den Roman in deutscher Übersetzung. Matthias Frings hat sich mit Don Lamb aus dem Lande Akademia in den Abgrund hinabgestürzt.
Finn Job: Damenschach

Finn Job: Damenschach

In Finn Jobs zweitem Roman „Damenschach“ wird eine exzentrische Villa im Wienerwald zur Bühne einer zunehmend schrillen Dinnerparty. Zertrampelte Rosen, zerschmetterte Vasen und eine Puppe im Pool spielen dabei ebenso eine Rolle wie jede Menge Alkohol, denn es wird laufend nachgeschenkt. Entsprechend ungezügelt und politisch unkorrekt streitet die Partyrunde über die Themen des Zeitgeists. Angelo Algieri hat das Buch gelesen und sich von seinem satirischen Schwung verwirren und befremden lassen, sich aber trotzdem oder gerade deshalb bestens amüsiert.
Zora del Buono: Seinetwegen

Zora del Buono: Seinetwegen

Die in Berlin lebende Schweizer Schriftstellerin Zora del Buono betrachtet die Welt in ihren Büchern eigentlich immer durch eine queere Brille. In „Seinetwegen“ hätte das anders sein können: Mit dem Projekt wollte die Autorin Leerstellen aufarbeiten, die ihr Vater hinterlassen hat, der 1963 bei einem Autounfall starb, als sie selbst erst acht Monate alt war. Doch auf der Suche nach dem Mann, der den Unfall damals verursacht hat, findet sie statt Antworten neue Leerstellen, und stößt dabei unverhofft auf die schwulenemanzipatorischen Errungenschaften der Schweizer Provinz. Die literarische Präzision, mit der Zora del Buono diesen thematischen Spagat vollführt, brachte ihr eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis ein – und lässt Marko Martin die Welt wieder ein bisschen wohnlicher empfinden.