Sauna

Trailer • Queerfilmnacht

Nicht fit, nicht weiß, nicht männlich genug für den schwulen Sex-Club? Mathias Broes Debüt „Sauna“ ist ein lustvoller Film über Männer, die Männer lieben – und rechnet gleichzeitig mit einer schwulen Dating-Kultur ab, die manche Männer ausschließt. Für Andreas Köhnemann ist „Sauna“ ein Film, der das Unbequeme nicht verschweigt, aber nie die Hoffnung aufgibt: feinfühlig, sexy und eine große Feier von intimen Verbindungen. Denn die entstehen immer dann, wenn Menschen sich frei machen vom Blick der anderen.

Bild: Salzgeber

Nicht ganz allein

von Andreas Köhnemann

Das Konzept eines Safe Space ist in der LGBTQIA+-Community von großer Bedeutung: eines Ortes, an dem sich Menschen sicher fühlen sollen, die von Diskriminierung betroffen sind. In queeren Filmen und Serien sind solche Räume daher oft zentrale Schauplätze. Etwa das Apartment an der Upper East Side in William Friedkins Bühnenstück-Adaption „Die Harten und die Zarten“ (1970), in dem eine Gruppe schwuler Freunde eine Geburtstagsparty feiert. Ebenso der Pittsburgher Gay-Club Babylon in der Ensembleserie „Queer as Folk“ (1999–2005), in dem die Figuren regelmäßig die Nächte durchtanzen. Oder auch die kleine Drag-Bar in Havanna in Paddy Breathnachs „Viva“ (2015), die für den jungen Protagonisten zu einem zweiten Zuhause mit Ersatzfamilie wird.

Die titelgebende Sauna in Mathias Broes Spielfilmdebüt könnte so ein Safe Space sein. Im Drehbuch von William Lippert nach der Romanvorlage von Mads Ananda Lodahl spielt sie unter dem betont hedonistischen Namen Adonis eine wichtige Rolle in der schwulen Szene Kopenhagens. „Hierher kommen Männer, um Sex mit Männern zu haben“, heißt es an einer Stelle. Nackte Körper, sexuelle Ausschweifung, keine Angst vor homophober Gewalt. Und auch die Gay-Bars und -Clubs der Stadt versprechen Freiheit. „Wen willst du ficken?“, wird Johan geradeheraus von einem Bekannten auf dem Dancefloor gefragt. Ihm scheinen hier alle Möglichkeiten offenzustehen.

Zu Beginn lässt uns „Sauna“ spüren, welch enormen Reiz die Schwulenszene von Kopenhagen mit ihren Party- und Hookup-Optionen und insbesondere das Adonis auf Johan ausüben. Nachdem er vor Kurzem aus der dänischen Provinz in die Landeshauptstadt gezogen ist und seine verständnislosen Eltern zurückgelassen hat, konnte Johan am Empfang der Sauna einen Job finden, der neben Geld zugleich Zerstreuung bietet. Der Film erklärt die wilde Feierei und den grenzenlosen Sex nicht unhinterfragt zum Nonplusultra, sieht in der Hingabe an die unkomplizierte Körperlichkeit aber auch nichts Verwerfliches. Johan hat Spaß am unbekümmerten Abtanzen und an zwanglosen One-Night-Stands. Aber er merkt allmählich, dass die Oberflächlichkeit des Ganzen ihn zuweilen ziemlich einsam macht.

Ausgerechnet ein Grindr-Date mit einer Person, deren Profil sich Johan gar nicht durchgelesen hat, führt eine Veränderung herbei. Mit dem trans Mann William verbringt Johan in seinem WG-Zimmer nach einem etwas holprigen Start eine Nacht voll von Lust und echter Nähe. „Wollen wir uns wiedersehen?“, schreibt Johan William schon bald. Zwischen den beiden entwickelt sich eine romantische Beziehung, in der Johan Intimität auf einer völlig neuen Ebene kennenlernt. Dass dies so überzeugend rüberkommt, liegt auch an den beiden Hauptdarsteller:innen: Magnus Juhl Andersen als Johan und Nina Rask als William verkörpern ihre Rollen mit größter Intensität.

William befindet sich mitten in der Transition. Während dies in der Zweisamkeit zwischen Johan und William zunächst kein Hindernis ist, muss Johan rasch erkennen, dass das Umfeld, in dem er sich bewegt, doch nicht so frei und offen ist, wie es ihm anfangs vorgekommen war. Denn bei „Männern, die Sex mit Männern haben“ ist etwa in der beschränkten Sicht des Adonis-Inhabers ein trans Mann offenbar nicht mitgemeint – weshalb William die Sauna unverzüglich verlassen muss. Ein Safe Space ist das Adonis somit nur für diejenigen, die ins schwule cis Schema des Betreibers passen.

Bild: Salzgeber

So kommt „Sauna“ auch zur richtigen Zeit, denn Diskriminierung innerhalb der LGBTQIA+-Community wurde als Thema im queeren Kino bisher nur wenig beachtet. Der Film zeigt, dass die schwule Szene leider nicht zwangsläufig durch und durch tolerant ist, sondern dass es auch unverhüllt transfeindlich zugehen kann. Johan fühlt sich wiederum im Kreis der Freund:innen von William häufig ausgeschlossen. Und dass William selbst nicht frei von Vorurteilen und Klischeevorstellungen ist, deutet sich an, als er Johans älteren schwulen Mitbewohner sofort für dessen Sugar-Daddy mit zweifelhaften Motiven hält.

Während im queeren Kino lange Zeit das Coming-out als das eine große Erzählziel formuliert wurde, stehen Werke wie „Drifter“ (2023) von Hannes Hirsch und „Sauna“ für ein Zeitalter, in dem die Reise nach dem Coming-out noch lange nicht abgeschlossen ist: Stattdessen gehen die Identitätssuche und Selbstfindung nur in die nächste, nicht weniger schwierige Runde. Es gibt nicht die eine queere Erfahrung – und bedauerlicherweise nicht immer ein großes solidarisches Miteinander unter nicht-heteronormativen Menschen. Auch die Gräben zwischen den Generationen werden offensichtlich, als es zum Bruch zwischen Johan und dessen Mitbewohner kommt. „Du bist nicht so allein mit allem, wie du denkst“, sagt Letzterer zu Johan. Aber die beiden haben sich zu diesem Zeitpunkt schon zu weit voneinander entfernt, um sich noch gegenseitig helfen zu können.

Bild: Salzgeber

„Sauna“ wirft einen differenzierten, authentisch anmutenden Blick auf die aktuelle queere Szene, gibt dabei jedoch den Glauben an die Liebe, an eine tiefe Verbindung, nicht auf. Schon die Lichtdramaturgie veranschaulicht, wie sich die Welt von Johan durch William im wahrsten Sinne des Wortes aufhellt. Nach dem Kennenlernen der beiden verlassen wir langsam das Halbdunkel, in dem alles unpersönlich bleibt. Wir erwachen mit Johan und William am Morgen, wir begleiten sie durch Kopenhagens Straßen und an den Strand. Beide scheinen aus unterschiedlichen Gründen noch nicht so recht zu wissen, wer sie eigentlich sind – weshalb sie möglicherweise auch noch nicht dazu imstande sind, etwas widerstandsfähiges Gemeinsames zu werden und sich ganz aufeinander einzulassen. Und das Maß an Empathie und Kommunikationsbereitschaft aufzubringen, das nötig ist, um einander wirklich zu unterstützen.

„I’m on my own but I’m not quite alone“, heißt es im Song „All The Pretty Boys“ von Anton Falck, der im Film gespielt wird. „Sauna“ beschönigt nichts, verschweigt nicht das Unbequeme, strahlt aber Hoffnung aus – auf die Fähigkeit seiner zwei Hauptfiguren, Nähe zuzulassen, die Ablehnung von außen niemals siegen zu lassen und den Mut zu haben, erneut die Frage zu stellen: „Wollen wir uns wiedersehen?“




Sauna
von Mathias Broe
DK 2025
dänisch-schwedische OF mit deutschen UT

Ab Anfang November in der Queerfilmnacht. Kinostart: 20. November.