Kink

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Im Dokumentarfilm „Kink“, den es ab jetzt im Salzgeber Club gibt, porträtiert Regisseur Alberto Fuguet das katalanische Fotografen-Paar Paco y Manolo, die Macher des Fanzines „Kink“. In dem erotischen Heft, das Kultstatus in der queeren Szene genießt, versammeln die beiden Bilder von nackten Männern – und offenbaren dabei immer weit mehr als nur deren Körper. Peter Rehberg, der sich in seinem Buch „Hipster Porn“ jüngst mit queerer Männlichkeit und affektiven Sexualitäten im „Kink“-Vorläufer „Butt“ auseinandergesetzt hat, schreibt für uns über die Geschichte der queeren Fanzines, die Besonderheiten von „Kink“ und worum es in dem Projekt von Paco y Manolo wirklich geht.

Foto: Salzgeber

Liebhaber in glücklichen Momenten

von Peter Rehberg

Inzwischen ist es schon Geschichte: Zu Beginn der 2000er Jahre gab es plötzlich eine ganze Reihe neuer schwuler und queerer Fanzines, also meistens kleinformatiger Magazine mit Fotos und Texten, gemacht von Fans für Fans. Die Erfolgsgeschichte dieses Medienformats reicht eigentlich bis in die 1970er Jahre zurück, als sich ein queerer Underground in den selbstgebastelten Heftchen repräsentierte, deren Artikel und Bilder damals noch per Hand ausgeschnitten, gesetzt und geklebt und dann mit dem Fotokopierer vervielfältigt wurden, so wie „J.D.“ von Bruce LaBruce und G.B. Jones oder Boyd McDonalds „Straight to Hell“.

Das populärste der Generation der Fanzines der 2000er – und um einiges professioneller – war das niederländische „Butt“, das stilbildend wirkte: Lässige, oftmals behaarte junge Männer wurden vor oder nach dem Sex gezeigt, meistens allein im Bild. Dazu gab es Interviews, die Sexualität in einen Zusammenhang mit alltäglichen Beschäftigungen und Hobbys rückten.

Für diese entdramatisierte Art und Weise, nackte schwule Männerkörper zu zeigen, die nicht unbedingt pornografischen Standards entsprechen mussten, gab es gute Gründe. Zum einen hatte die Einführung der Kombitherapie gegen HIV/Aids ab 1996 das Verhältnis zu Intimität wieder entspannt: Schwuler Sex war nicht länger eine Frage auf Leben und Tod, HIV wurde zur chronischen Erkrankung, die mit Medikamenten immer besser zu managen war. Schwule Männerkörper konnten wieder entspannter gezeigt werden.

 

Aber auch der Start von Datingportalen wie Gayromeo veränderte in den 2000er Jahren das Verhältnis von schwulen Männern zu ihrem Körper, und den Bildern, die sie sich von ihm machten. Auf einmal zirkulierten massenhaft Amateuraufnahmen im Netz, der Blick auf nackte Männer diversifizierte sich.

„Butt“, das von 2001 bis 2011 in seiner Printversion erschien und jetzt im März gerade einen Relaunch hatte, begriff diesen medizin- und mediengeschichtlichen Wandel und schlug daraus ästhetisches Kapital. Der „Butt“-Typ, eigentlich ein schwuler Hipster, war geboren. Aber „Butt“ blieb nicht das einzige schwule Fanzine dieser Ära.

Das Heft, das ihm am nächsten kam und auch vom Erfolg her daran anknüpfen konnte – inzwischen gibt es über 30 Ausgaben, also mehr als von „Butt“ jemals erschienen sind – ist „Kink“. Vielleicht tut man dem Heft etwas Unrecht, aber am Anfang schien es wirklich so, als sei „Kink“ ein Ableger von „Butt“. Der gleiche Männertyp, die gleiche beiläufige Art sexy zu sein. Die Männer sind jung und attraktiv, aber auch oft verletzlich und verträumt. Sex und Poesie sollen kein Widerspruch sein. Nan Goldin und Wolfgang Tillmans werden natürlich als Inspiration genannt. Persönlichkeit spielt eine Rolle, auch wenn die Texte in „Kink“ kurz und Steckbrief-artig sind.

Foto: Salzgeber

Auch „Kink“ ist ein post-Aids Versöhnungsprojekt, das schwulen Sex wieder unschuldig macht. Die Euphorie über diesen neuen Männertypus war groß, je mehr Bilder davon in Umlauf kamen, desto besser. Die Wartezeit auf das nächste „Butt“-Heft, das dreimal im Jahr erschien, konnte man sich mit „Kink“ und später auch mit „Meat“ und anderen Fanzines verkürzen.

Aber „Kink“ hat seine eigene Identität und ist auch längst selbst zur Marke geworden. Charakteristisch für „Butt“ war nicht nur der liebevolle und großzügige Blick auf die Models im Heft, sondern auch der Witz der Bilder und Texte. „Kink“ konzentriert sich von Anfang an vielmehr auf das Projekt erotische Fotografie. Generationsmäßig wird hier der gleiche Typ Mann gezeigt, aber die Fotosessions drehen sich vielmehr um den Moment des Ausziehens vor der Kamera, die Erotik des Zuschauens.

Genau dieser Augenblick steht auch im Zentrum des Dokumentarfilms „Kink“ über Paco y Manolo, die beiden Macher des Fanzines „Kink“. Wir begleiten die beiden auf ihren Fotoshoots in Privatwohnungen oder draußen im Park. Kurze Gespräche mit den Models, die Wahl des richtigen Ortes, des Blickwinkels – diese Momente greift der Film auf. Paco und Manolo stehen beide hinter der Kamera, wer welches Bild gemacht hat, erfährt man nicht. Die Bilder sind immer von beiden, Paco y Manolo, sie sind ein symbiotisches Paar.

Foto: Salzgeber

Die Fanzines der 2000er sind eingebettet in eine spezifische urbane Kultur. Amsterdam im Fall von „Butt“, Barcelona, wo Paco y Manolo leben und arbeiten, im Fall von „Kink“. Die Models auf den Seiten von „Kink“ sind meistens Männer, die hier leben oder zu Besuch in der Stadt sind. Die jungen Spanier unterscheiden sich von den holländischen, britischen, deutschen oder amerikanischen Typen in „Butt“. Es geht dabei nicht nur um einen etwas anderen Männertyp – Nordeuropäer vs. Südeuropäer –, sondern auch um eine andere Körperkultur, in einer anderen Umgebung.

Eine wichtige Rolle für die Fotoaufnahmen in „Kink“ spielt das Licht; mediterranes Sonnenlicht, wie es durch die Fenster fällt oder zwischen den Bäumen des Parks Güell oder auf den Hügeln in der Nähe von Sitges hindurchscheint. Diese Wärme macht sich in den Bildern von Paco y Manolo bemerkbar. Ein selbstverständlicher Umgang mit Nacktheit – so suggerieren es die Aufnahmen im Heft – illustriert auch die Idee eines sinnlichen, spanischen Lebensstils. Barcelona als schwuler Sehnsuchtsort.

Dass eine solche Ästhetik dann nicht einfach zum Erotik-Kitsch wird, liegt an der letztendlich doch sehr persönlichen Arbeitsweise von Paco y Manolo. Es dauert eine Weile, bis man beim Zugucken versteht, worin diese besteht. Oft gelingt es dem Film eher über Bilder als über Worte die Faszination für das Fotografieren anschaulich zu machen. Durch die Selbstauskünfte der beiden Fotografen kommt man der Sache nicht so richtig auf die Spur. Als Interviewpartner wirken sie manchmal hektisch, fast gereizt, so als stehen sie sowieso nicht gerne vor der Kamera, sondern lieber dahinter.

Foto: Salzgeber

Im Verlauf des rund 100-minütigen Films, der zwischen Fotoshoots und autobiografischen Berichten von Paco y Manolo hin- und herwechselt, versteht man allmählich aber doch, worum es bei dem Projekt von „Kink“ noch geht. Am Ende sieht man die beiden Fotografen, wie sie sich umarmen. Die erste Berührung der beiden inzwischen 50-jährigen Fotografen im ganzen Film; nachts bei einem Feuerwerk. Erst da begreift man, dass „Kink“ auch eine Liebesgeschichte ist. Die Geschichte von Paco y Manolo, die nicht nur beruflich, sondern auch privat seit über 30 Jahren ein Paar sind. Anfang der 2000er haben sie mit Blogeinträgen auf ihrer Webseite begonnen. Damals ging es um eine Art Selbstdokumentation, Fotografieren und Schreiben als autoethnografisches Projekt.

Der liebevolle Blick auf junge schöne Männer in „Kink“, ist eine Ausweitung dieses Projektes. Paco y Manolo gucken die Welt so an, wie sie einander angucken. Wir wollen „Liebhaber in glücklichen Momenten festhalten“ sagen sie. Paco y Manolo erzählen ihre Liebesgeschichte über die Bilder von jungen Männern weiter. In diesem Sinne ist „Kink“, ganz anders als der Name suggeriert, eigentlich ein romantisches Projekt.




Kink

von Alberto Fuguet
CL/ES 2021, 104 Minuten, FSK 16,
spanische OF mit deutschen UT,
Salzgeber

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VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)


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