Just Friends

Trailerrbb QUEER DVD / VoD

Yad hat gerade sein Medizinstudium in Amsterdam geschmissen und kommt in die Kleinstadt, in der seine syrisch-stämmigen Eltern leben. Bei der rüstigen alten Dame Ans verdient er sich als Haushaltskraft etwas Geld dazu. Eines Nachmittags sitzt Ans attraktiver Enkel Joris am Tisch. Nach ersten Startschwierigkeiten lassen die beiden zusammen Drohnen steigen, daten stilecht im American Diner und versuchen zu surfen, ohne zu nass zu werden. Ellen Smit und Henk Burger lassen in der Romantic Comedy „Just Friends“ nicht nur ein hinreißendes Paar zueinanderkommen, sondern auch eine ganze Reihe herrlich skurriler Nebenfiguren auftreten. Andreas Köhnemann über einen umwerfend charmanten schwulen Sommerfilm, der glücklich macht.

Foto: Salzgeber

Ein Sommer – der Liebe?

von Andreas Köhnemann

Die Romantic Comedy, kurz RomCom, hat eine lange Leinwand-Karriere hinter sich. Die Vertreter dieses Subgenres beginnen üblicherweise mit einer amüsanten Boy-meets-Girl-Situation, konfrontieren ihre beiden Hauptfiguren dann mit etlichem Geplänkel und belohnen das Paar schließlich mit einem rundum glücklichen Ende. Das queere Kino hat bisher vergleichsweise wenige RomComs hervorgebracht. Und bei diesen wenigen Vertretern stehen zumeist innere oder äußere Konflikte und Kämpfe im Zentrum der Erzählungen. Mit „Just Friends“ hat die niederländische Regisseurin Ellen Smit nach einem Drehbuch von Henk Burger nun eine schwule Liebesgeschichte in Szene gesetzt, die in erster Linie unterhalten möchte, aufs Herz zielt und ganz genau weiß, wie sie uns dort trifft.

Während viele RomComs die Großstadt als Schauplatz nutzen, ist die Handlung hier in einer holländischen Kleinstadt am Meer angesiedelt. Der 26-jährige Yad kehrt zu seiner syrisch-stämmigen Familie zurück und lässt damit das wilde Partyleben in Amsterdam hinter sich. Dass er auch sein Medizinstudium abgebrochen hat und nun als Putzkraft für ältere Leute tätig wird, stößt bei seiner strengen Mutter auf wenig Begeisterung. Auf diesem Wege lernt er jedoch Joris – den Enkel einer Kundin – kennen.

Wenn Yad und Joris sich zum ersten Mal begegnen, wartet „Just Friends“ mit allem auf, was das Subgenre im Laufe der Filmgeschichte etabliert hat, um den Auftakt großer Gefühle zu vermitteln: Zeitlupe setzt ein, Musik ertönt und der Blickwechsel zwischen den Protagonisten ist von spontaner, feuriger Leidenschaft erfüllt. Alles ist völlig over the top – aber derart genüsslich-augenzwinkernd, dass man sich ohne zu zögern auf diesen emotionalen Höhenflug mitnehmen lässt.

Die beiden jungen Männer bilden ein herrliches Gegensatzpaar, das sich zunächst ein bisschen necken darf. Wenn der athletische Joris sein Hemd auszieht, um im Garten der Großmutter die Hecke zu schneiden, schleicht sich Yad betont unbeeindruckt an ihn heran, um ihn zu erschrecken. Joris gibt sich wiederum überheblich und rückt seine Handynummer nicht heraus – weshalb die lustige Oma als Kupplerin aktiv werden muss.

Foto: Salzgeber

In der Zeichnung seiner Figuren und deren Beziehungen zueinander erweist sich „Just Friends“ überhaupt als äußerst charmant. Joris mutet in seinen sportlichen Markenklamotten und mit seiner Vorliebe für Fitnessstudiobesuche und Eiweiß-Shakes auf den ersten Blick wie ein wandelndes Macho-Klischee an, lässt durch sein Verhalten allerdings rasch erahnen, dass er über weitaus mehr Tiefe verfügt. Die Urne mit der Asche seines vor zehn Jahren verstorbenen Vaters ist einerseits ein running gag, da sich Joris erfolglos bemüht, einen geeigneten Platz für sie zu finden; andererseits werden die Kindheitserinnerungen und die Versuche, die Vergangenheit zu verarbeiten, auch zu einem wichtigen Teil von Joris’ Entwicklung. Der unbekümmert wirkende Lockenkopf Yad muss sich derweil mit den hohen Ansprüchen seiner Mutter auseinandersetzen, die befürchtet, ihr Sohn verschwende sein Leben und suche sich immer die falschen Männer aus.

Foto: Salzgeber

Der familiäre Hintergrund von Yad und Joris wird erfreulich facettenreich gestaltet, keines der Familienmitglieder verkommt zur reinen Karikatur, nicht einmal Joris’ solariumgebräunte Mutter, die in den ersten Filmminuten zwar mit ihren High Heels und einer Unzahl von Einkaufstüten einen bösen Stolperunfall im Shoppingcenter erleidet und mit ihrem Hang zur Schönheitschirurgie und zu hartem Alkohol als Zielscheibe für ein paar spöttisch-fiese Bemerkungen dient, aber insgesamt auch mit reichlich Zwischentönen gezeichnet wird. Wenn die Oma gegen Ende feststellt, dass Joris seiner Mutter ähnlich ist, ist das keineswegs eine Beleidigung. Beide sind hinter ihrer eitlen Fassade Menschen, die Angst haben, (erneut) verletzt zu werden. Die von der holländischen Schauspiel-Veteranin Jenny Arean verkörperte Großmutter ist mit ihren sarkastischen Sprüchen und ihren weisen Ratschlägen die absolute Szenendiebin – und mindestens so lustig und clever wie Urgroßmutter Poupette aus den „La Boum“-Filmen oder Betty White in ihren diversen Grandma-Rollen.

Zu den Stärken von „Just Friends“ gehört, dass der Plot bei aller Leichtigkeit die schweren Themen nicht gänzlich ausblendet: Die Zukunft ist ungewiss, die Gegenwart von privater und beruflicher Orientierungslosigkeit, von Vorurteilen und Snobismus geprägt. Der Film vermittelt jedoch glaubhaft bzw. unglaublich schön, dass das Gefühl des Verliebtseins im besten Sinne eine Flucht ermöglicht und die Figuren gegen diese Dinge wappnen kann, sie mutiger und ehrlicher macht.

Foto: Salzgeber

Nachdem sich Yad und Joris in einer wunderbaren Szene über das Cool-Finden des Singer-Songwriters Sufjan Stevens und des Folk-Projekts Bon Iver nähergekommen sind und wir dabei erleben, wie sexy es ist, sich Kopfhörer zu teilen und sein Gegenüber beim intensiven Hören von Musik anzuschauen, zeigt der Film die Dating-Phase der beiden mit guter Beobachtungsgabe und perfektem Gespür für Timing. Auf ein Hin und Her via WhatsApp folgt ein gemeinsam verbrachter Sommertag, mit Joris’ Motorrad geht es in die Natur. Die frisch Verliebten liegen romantisch gemeinsam im Kornfeld und blicken in den blauen Himmel. An anderer Stelle versucht Yad, Joris das Surfen beizubringen. Und der ersten richtigen Verabredung der beiden im örtlichen American Diner geht ein stilechtes Aufbrezeln voraus mit Lederjacken und Schmalztolle.

Wir werden in diese zweisame Glückseligkeit mitgenommen, fühlen sie mit, können aber auch die Irritationen nachvollziehen, die sich immer wieder einschleichen. Yads besorgte Eltern, Joris’ Zwist mit der Mutter, eigene Hemmungen und Marotten – all das sind keine unnötigen Skript-Konstruktionen auf dem Pfad zum Happy End, sondern überzeugende Bestandteile einer RomCom par excellence, die Harmonie und Spannung, Witz und tragische Beiklänge gelungen zusammenbringt. Dass Yad und Joris mehr als „Just Friends“ sind, steht natürlich von Anfang an fest. Der Weg zu diesem „mehr“ wird aber erfrischend und inspiriert erzählt.




Just Friends
von Ellen Smit und Henk Burger
NL 2018, 78 Minuten, FSK 12
niederländische OF mit deutschen UT

Salzgeber

Weitere Infos zu rbb QUEER

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VoD (OmU): € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

Hier auf DVD.

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