A Bigger Splash
DVD / VoD
In Jack Hazans Film „A Bigger Splash“ stellt David Hockney einen Künstler namens David Hockney dar, der versucht, ein Portrait jenes Liebhabers anzufertigen, von dem er eben verlassen worden ist. Weder schlicht Dokument noch bloß Fantasie, ist der Film eine dem Leben abgetrotzte Fiktion, deren Intimität auf den sich selbst Darstellenden Hockney eine solch schockierende Wirkung hatte, dass dieser erst von seinem Umfeld dazu bewogen werden musste, einer Veröffentlichung zuzustimmen. Was heute davon bleibt, ist das Porträt eines Künstlers, einer Zeit und einer Szene, eine melancholische Liebesgeschichte, ein Werk von wunderbarer Hybridität.
Porträt des Künstlers als unglücklich Verliebter
von Sebastian Markt
Am Ende entsteht ein Bild. Es zeigt eine sommerliche Szene: einen Swimming-Pool auf einer Terrasse. An dessen Grund, unter einer Oberfläche hellblau schattierten Wassers, das von feinen weißen Linien refraktierten Lichts durchzogen ist, taucht ein Schimmer, schon ganz nah am Beckenrand. Oberhalb des Pools, jenseits der Terrasse, öffnet sich der Blick in ein weites Panorama steiler Hügel, von denen die vordersten von dichter, dunkelgrüner Vegetation überzogen sind, im Hintergrund weitere Hügel, in abnehmenden Tönen von Blau, das sich dem hellen, wolkenlosen Himmel annähert. An der rechten Seite des Pools, in weißer Hose und rosarotem Jackett, steht ein junger Mann, einen Fuß etwas nach vorne gerückt, in angespannter, leicht nach vorn gebeugter Haltung. Unter einer Strähne seiner dunkelblonden Haare fällt sein Blick auf den Taucher im Wasser.
Der Mann im Jackett ist Peter Schlesinger. Als das Porträt 1971 begonnen wurde, war er David Hockneys Liebhaber, als es 1972 fertiggestellt wurde, hatte er ihn bereits verlassen. Das Gemälde trägt den Titel „Portrait of an Artist“, und es markiert eine Art Schlusspunkt unter eine Beziehung, die ihren Anfang 1966 an der University of California in Los Angeles nahm, an der Peter Schlesinger Kunst studierte und David Hockney ein Semester lang unterrichtete.
Von dem Nachbeben dieser Liebe und der allmählichen Fertigstellung des Bildes, von David Hockney und seinem Umfeld im London der frühen Siebzigerjahre, erzählt Jack Hazans Film A Bigger Splash, der 1974 in Locarno einen Silbernen Leoparden für die beste Regie gewann.
Wenn man dies möchte, kann man einiges über die Entstehungsgeschichte in Erfahrung bringen. Dass Hazans Wunsch, einen Film über Hockney zu drehen, von einer Ausstellung von dessen Porträts (für die Hockney in dieser Phase seines Werks vorrangig bekannt war) angestoßen wurde; dass der Maler von der Idee keineswegs begeistert war; dass Hazans insistierende Hartnäckigkeit erst möglich machte, über Jahre hinweg kleine Szenen zu drehen; dass Hazan mit seinem Partner und Editor David Mingay schnell übereinkam, die Liebesgeschichte zum Epizentrum des Films zu machen; dass Hazan dabei nicht nur beobachtend zu Werk ging, sondern Szenen kreierte, Dialoge herausforderte, indem er einem der Gesprächspartner Anfangsfragen soufflierte; dass, nicht zuletzt, Hockney mit dem fertigen Film anfangs fürchterlich unglücklich war. Man kann das alles, und noch mehr, nachlesen, in Interviews mit Jack Hazan etwa, oder der sanktionierten Hockney-Biographie von Christopher Simon Sykes, man muss aber nicht. Denn der Film vermag es, in ganz eigensinniger Weise in seinen Bann zu ziehen, seine Erscheinung aus sich selbst zu begründen.
Als Porträtierte und als Charaktere stellt die Titelsequenz sein Personal vor, in Skizzenzeichnungen: Hockney und Peter, das Designerpaar Celia Birtwell und Ossie Clark, den Galeristen John Kasmin, den Kritiker und Kurator Henry Geldzahler, sechs hübsche Jungs, denen ein Vorname genügt. Der Blick der ersten Einstellung fällt auf ein Schlüsselloch. Dahinter sitzt Hockney einem jungen Mann gegenüber, den er beschreibt, sein Aussehen, seine Wirkung auf ihn. Genf 1973, informiert eine Schrifttafel. Was folgt, Hockney bei der Arbeit, Hockney mit Freundinnen und Freunden, Verhandlungen mit dem Galeristen, kleine Vignetten des Alltags, geschieht davor. In Mo McDermott findet der Film seinen Erzähler, fast immer aus dem Off setzt seine Stimme Akzente, die die Fragmente zu einer Geschichte fügen und sie mit ihrer emotionalen Fallhöhe ausstatten. Gleich zu Anfang berichtet er von Schlesingers Trennung von Hockney, nicht ohne hinzuzufügen, dass nach einer Trennung immer mehr als zwei Menschen leiden. In seiner gleichzeitig zentralen und marginalen Position als Hockneys Assistent, immer mitten drin im Geschehen aber nie sein Kern, scheint McDermott zum Chronisten einer von Auflösung bedrohter Idylle prädestiniert.
Die Szene, die „Portrait of an Artist“ einfängt, hat sich so nie zugetragen. Die Idee zu dem Bild verdankt sich der zufälligen Montage zweier Fotografien in Hockneys Studio, des Schwimmers im Pool, und des stehenden Mannes. Ein fast filmisches Verfahren der Montage einerseits, steht es auch in einer Genealogie zu den Fotomontagen und Komposit-Polaroid-Porträts, denen sich Hockney bald nach der im Film verewigten Werkphase zuwenden wird.
Zusammenfügung, Beschreibung, Portrait. Es ist gerade die Kunst von A Bigger Splash, dass er sich in der Wahl der Figurationen, aus denen der Film seine erzählerischen Möglichkeiten schöpft, von seinem Gegenstand leiten lässt. Eine Geste, die er dabei immer wieder vollführt, ist, Porträtierte und Porträts zusammen zu führen, sei es in Szenen, in denen Menschen die Bilder betrachten, auf denen sie dargestellt sind, sei es, dass Hazan die Porträt-Situation nachstellen lässt. In einer seiner eindrücklichsten Szenen taucht der Film ganz in Hockneys kalifornische Bilderwelt ein, stattet Schwenks über einige Gemälde-Szenen mit einer Tonkulisse aus, und inszeniert schließlich eine solche Szene von vergnügt nacktbadenden jungen Männern selbst, die wiederum – einmontiert zwischen Bilder des schlafenden Hockney – als Traum lesbar wird. Indem der Film es immer wieder vollbringt, Kunst und Leben ineinander zu führen, kann er nicht nur seine Geschichte erzählen, sondern findet gleichzeitig zu einer Sprache, die es ihm erlaubt, das, was auch an einem Künstlerleben ganz privat ist, im Kontext dessen zu entwerfen, was als Kunst das Private transzendiert.
Es gibt Filme, die zwischen Dokument und Fantasie changieren, Filme, die einem die Unterscheidung zwischen dem, was wahr ist, weil es gefunden wurde, und dem, was wahr sein möge, weil es erfunden ist, schwer machen. Und dann gibt es Filme, die diese Unterscheidung hinter sich lassen. A Bigger Splash ist ein wunderbares Beispiel für letztere. (Hazans andere bleibende Einlassung in die Filmgeschichte, die wie auch A Bigger Splash in Zusammenarbeit mit David Mingay entstanden ist, ist Rude Boy von 1980. Ein Portrait von The Clash, das nach einem ähnlichen ästhetischen Verfahren gestrickt ist: Es verknüpft dokumentarische Aufnahmen einer Tournee mit der fiktionalisierten Erzählung eines Roadies zu einer Momentaufnahme des Punk am Beginn der Ära Thatcher.) In die Freiheiten, die der Film sich nimmt, fügt sich auch seine Unlust, das Schwulsein seiner Figuren zu erklären. Gerade weil er von dem enttäuschten Begehren so voraussetzungslos berichtet, ohne es vor einem angenommenen Außen zurechtrücken zu wollen, vermag er dieses Erzählen so konkret und so nah an seinen Figuren ins Werk zu setzen.
Am Ende wird das Porträt von Peter Schlesinger vollendet sein, und es wird den Mann, der einst Hockneys Schüler war, als Künstler ausweisen, auch das ein Ende einer Geschichte. Niemand wird wissen, wo Hockney gerade steckt. John Kasmin wird seine New Bond Street Galerie geschlossen haben, Mo McDermott ein paar letzte melancholische Gedanken mit uns teilt, und in der Schließung der Klammer vom Anfang des Films wird Hockney dem jungen Mann in Genf, der vielleicht ein anderer Liebhaber ist, sagen, dass es eine paradoxe Situation ist, in der man als Maler steckt, wenn man so intim an etwas arbeitet, nur um sich dann gleich davon trennen zu müssen, zu verkaufen, um weiter arbeiten zu können, dass man manche Bilder gerne behalten möchte. Und auf die Nachfrage von Joe: dass jene, die Peter zeigen, ruhig hinaus können, in die Welt.
Wie eine Flaschenpost aus dem Niemandsland zwischen Swinging Sixties und Punk liest sich der Film heute. Menschen kommen und gehen und verändern sich, Wege kreuzen und verlieren sich. Etwas ist verloren gegangen, und alles ist noch da, weil der Film es aufgehoben hat.
A Bigger Splash
von Jack Hazan
UK 1973, 105 Minuten, FSK 12,
englische OF mit deutschen UT,
Edition Salzgeber
Hier auf DVD.