Er liebt mich

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In seinem Langfilmdebüt „Er liebt mich“ erzählt Regisseur Konstantinos Menelaou von der Beziehungskrise eines schwulen Paares in traumhafter Kulisse: Hermes und sein Partner reisen auf eine kleine Insel, um fernab von der großen Stadt herauszufinden, ob sie als Paar noch eine Chance hat. Die magische Abgeschiedenheit des Strandes und die atemberaubende Schönheit der Natur bringen die beiden körperlich und emotional wieder nah zueinander. Doch können sie ihre Liebe auch zurück in den Alltag bringen, vorbei an den Verletzungen der Vergangenheit? Sind sie bereit für den nächsten Schritt? Andreas Köhnemann über ein poetisches Liebesdrama unter glühender Sonne.

Foto: Edition Salzgeber

On the Beach

von Andreas Köhnemann

„Wie soll man lieben, wenn man verliebt ist? Und man sich so lange davor gefürchtet hat“, heißt es zu Beginn von „Er liebt mich“ in einer Texteinblendung. Dazu hören wir melancholische elektronische Klänge, die an die Synthesizer-Hymnen des griechischen Komponisten Vangelis erinnern. In der eröffnenden Einstellung sind zwei nackte junge Männer zu sehen, die eng umschlungen und halb im Sand vergraben am Strand liegen. Schnell wird klar, dass Konstantinos Menelaous erster Langfilm, den er als Autor und Regisseur realisiert und zudem mitmontiert und -produziert hat, sich der großen Angst vor großen Gefühlen widmet. Das Werk ist einerseits minimalistisch – mit nur zwei Akteuren und kaum äußerer Handlung –, und andererseits exzessiv in der Wahl und Fülle seiner Themen, in der Wucht seiner Worte und Töne und in der Schönheit seiner Bilder. Keine Seifen-, sondern eine Sand- und Salzwasser-Oper, angesiedelt in einem nicht näher definierten Paradies, bevölkert von Adam und Adam.

Die zwei Männer – verkörpert von Hermes Pittakos und Sanuye Shoteka, die hier beide ihr Leinwanddebüt als Schauspieler geben – haben die Stadt verlassen, um auf einer kleinen Insel an einem abgelegenen, idyllischen Strand Zeit miteinander zu verbringen und so womöglich ihre zerrüttete Beziehung zu retten. Wir erfahren die Hintergründe zu ihrem Kennenlernen und Zusammensein, zu ihren vergangenen und aktuellen Problemen nicht durch Dialoge, sondern durch einen Voice-over-Monolog von Hermes. Wenn die beiden Protagonisten miteinander reden, sind sie fast nie zu hören; die Ebene der Worte und die Ebene der Bilder sind nahezu komplett voneinander getrennt – und doch laufen sie nicht unberührt nebeneinanderher.

Foto: Edition Salzgeber

Vielmehr verleihen die Schilderungen der Anbahnung und Entwicklung der Liebesbeziehung, von ihren Herausforderungen und Hürden, und vor allem die schonungslos offene Ausmalung der zahlreichen Gemeinheiten – die die Trivialliteratur und Hollywood-Filme gerne aussparen, wenn sie von romantischen Empfindungen erzählen – den Aufnahmen in gleißendem Licht etwas erhaben Düsteres. Es wirkt fast so, als würde jemand über eine sorgsam zusammengestellte Instagram-Story von zwei attraktiven Menschen am sonnigen Meer einen ehrlichen Audiokommentar legen, der auf sämtliche Risse in der perfekt erscheinenden Paar-Fassade aufmerksam macht. Der Achtzigerjahre-Vibe der Elektro-Sounds von Micke Lindebergh unterstützt diese verfinsternde Wirkung in einigen Momenten noch.

Foto: Edition Salzgeber

Die pittoresken Aufnahmen des Kameramanns Kostis Fokas stehen zwar im Kontrast zu dem emotional teilweise sehr harten Monolog; sie beglaubigen aber auch zugleich die Liebe und Lust, von denen dieser berichtet. Wenn die Bilder zeigen, wie sich die beiden Hauptfiguren beim Schwimmen im Meer oder beim Umherwandern in der Umgebung berühren, wie sie Sex miteinander haben oder auch einfach nur schweigend nebeneinandersitzen und -liegen, sind das keine seelenlosen Hochglanzbilder von zwei austauschbaren Adonissen, sondern sinnliche, innige Augenblicke, die keinen Zweifel daran lassen, dass dieses Paar schon viel miteinander erlebt und erlitten hat, dass sie sich ganz genau kennen – und einander lieben. Das Traurig-Reale und das Wunderschön-Surreale, das Ärgerlich-Anstrengende und das Beglückende, das kaum zu fassen ist – all das kommt beim Verliebtsein dialektisch daher. „Er liebt mich“ lässt diese Ambivalenzerfahrung zu und findet dafür eine betörende Filmsprache.

Foto: Edition Salzgeber

Als Autor liefert Menelaou einen Text, der in seiner Beschreibung von Beziehungs-Etappen an Roland Barthes’ „Fragmente einer Sprache der Liebe“ (1977) denken lässt. Wie das Liebes-Glossar des französischen Geisteswissenschaftlers erfasst sein Skript die Komplexität des Liebens, indem es diverse Phänomene der Gefühlswelt zu analysieren versucht. Der Film erzählt von wilden Partys und Drogen, von heftigem Streit und Geldnot, von Eifersucht und tiefen Verletzungen, aber auch von der Ekstase, in die man gerät, wenn man in seinem Heimatort in der Provinz plötzlich einen Seelenverwandten entdeckt, und von der überwältigenden Freude, wenn man erkennt, dass dieser völlig unglaubliche Mensch echt ist und man von diesem zurückgeliebt wird. Doch es gibt auch den Gedanken, den anderen überhaupt nicht verdient zu haben, und die Frage: „Warum hast du mich geliebt?“

Foto: Edition Salzgeber

Menelaous‘ Montage veranschaulicht die geschilderten Konflikte weiter. Wenn im Voice-over zu hören ist, dass der Erzähler befürchtet, sein Partner würde ihn betrügen, sehen wir abwechselnd das Paar aus der Entfernung beim hingebungsvollen Sex am Strand und das Gesicht des einsamen Hermes in einer Großaufnahme, als würde dieser das Geschehen zugleich als unbeteiligter, ausgeschlossener Dritter beobachten. Auch hier bringt der Film die Ambivalenz des Liebens, das Ineinandergreifen von Nähe und Distanz, von Glück und Angst auf den Punkt. Ja – wie soll man lieben?




Er liebt mich
von Konstantinos Menelaou
UK 2017, 73 Minuten,
deutsche SF & englische OF,

Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

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VoD (deutsche Fassung): € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

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