Becks

TrailerDVD / VoD

Neu als DVD und VoD: Nach der schmerzhaften Trennung von ihrer Freundin zieht die Folk-Musikerin Becks von Brooklyn zurück in ihre Heimatstadt St. Louis, um sich fernab vom New Yorker Künstler_innen-Trubel neu zu finden. Doch erstmal ist sie damit beschäftigt, mit ihrer streng katholischen Mutter die Fronten der sexuellen Freiheiten zu klären und mit Gitarrenunterricht etwas Geld zu verdienen. Ihre erste Schülerin ist ausgerechnet die schüchterne Elyse, die mit Becks altem High-School-Erzfeind Mitch verheiratet ist. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die Elyses bisherigen Lebensentwurf gehörig ins Wanken bringt. Elizabeth Rohrbaugh und Daniel Powell haben sich für ihren Film „Becks“ vom Leben der US-amerikanischen Singer/Songwriterin Alyssa Robbins inspirieren, von der auch die meisten der bittersüßen Liebeslieder im Film stammen. Neben dem berührenden Soundtrack wird „Becks“ vor allem von seinem starken Darstellerinnen-Ensemble getragen. Unsere Autorin Natália Wiedmann hat sich vor allem von Hauptdarstellerin Lena Hall verzaubern lassen.

Foto: Edition Salzgeber

Down the Rabbit Hole

von Natália Wiedmann

Am Anfang ist das Stakkato – und die Ironie, dass ausgerechnet ein Film voll wunderbarer Folksongs erstmal seinen Rhythmus finden muss. Im Schnelldurchlauf die Endstationen einer Beziehung: Becks (Lena Hall) spielt und singt im Background einer Band, deren charismatische und prätentiöse Frontfrau Lucy (Hayley Kiyoko) zugleich ihre Freundin ist. Kennenlernen der Eltern. Ein Aufflackern instagramtauglicher Beziehungsmomentaufnahmen. Die Teilnahme an einer Show in L.A. als Lucys große Karrierechance. Becks, die ihre Wohnung kündigt und sich mit ihrem bescheidenen Hab und Gut im Auto auf den Weg nach Kalifornien macht, um Lucy mit einer verfrühten Ankunft zu überraschen. Vor Ort dann die Erkenntnis: „The tits moved on to a younger pair of L.A.-based tits.“ Ohne Freundin, ohne Job und ohne Bleibe zieht Becks zurück in ihre Heimatstadt St. Louis, ins Haus ihrer so resoluten wie religiösen Mutter (Christine Lahti) – . Das soll aber nur eine Zwischenstation, betont die Musikerin. Mit Gitarrenunterricht will sie nun ein wenig Geld verdienen. Ihr Schulfreund Dave (Dan Fogler) schlägt ihr vor, gegen Trinkgeld in seiner Bar aufzutreten. Becks nimmt sein Angebot an und hat bald neben einer wachsenden Zuhörerschaft auch ihre erste Gitarrenschülerin: ausgerechnet die Ehefrau des ehemaligen Mitschülers, der Becks auf dem Abschlussball geoutet hat.

Man glaubt zu wissen, wie das Stück nach diesem Auftakt weitergeht, erwartet das vertraute Muster, das auf die Regression in eine kindliche Position der Abhängigkeit und Vulnerabilität eine Erzählung vom Ablösungs- und Selbstfindungsprozess folgen lässt, gepaart mit einer heilsamen Liebesgeschichte. In Ansätzen ist dieses Muster vorhanden, wird aber immer wieder effektiv durchkreuzt. Wo man das Drama erwartet, bleibt es aus (Rückkehr nach Hause als Rückkehr „into the closet“? – Fehlanzeige!). Wo schließlich ein Konflikt ausbricht, nimmt er eine andere Form an als antizipiert. Vor allem aber ist es die von Lena Hall so grandios verkörperte Protagonistin Becks, die sich der simplen, musikalischen Selbstheilungsdramaturgie entzieht. Spätestens nach ihrem ersten Gesangsauftritt ist unstrittig, dass Becks nicht das Stereotyp der verunsicherten Frau bedient, die nun mit Anfang 30 mühsam ihre Stimme (wieder)finden muss, als Musikerin noch nach ihrem Sound sucht und nur mit quasitherapeutischer zwischenmenschlicher Zuwendung den Weg ins Rampenlicht erträgt. Vielmehr fragt man sich, wie sie je die im Hintergrund Schmachtende gewesen sein konnte. Noch bei einer so profanen Tätigkeit wie dem Anbringen von Aushängen strahlt Becks eine so unwiderstehliche Lässigkeit und Selbstsicherheit aus, dass ihre spätere Ausstattung mit einer schwarzen Lederjacke als Insignie der Coolness gar redundant wirkt. „Look, just know that your powers are a lot stronger than you realize“, warnt Dave sie bei einem ihrer urkomischen Wortwechsel, nachdem er mit Sorge die Annäherung zwischen Becks und ihrer attraktiven Gitarrenschülerin Elyse (Mena Suvari) beobachtet hat. Becks tut dies lapidar mit einem „Thank you, Yoda“ ab. Viel zu lernen sie noch hat.

Foto: Edition Salzgeber

Die bühnenerfahrene Lena Hall ist in ihrer ersten Spielfilm-Hauptrolle ein absoluter Glücksgriff für ihre vielschichtige Figur: Mit der gleichen Natürlichkeit, mit der sie Lässigkeit nicht vorspielt, sondern verkörpert, ist sie in anderen Szenen ganz kleinlaute Verunsicherung, bringt die aufblitzende Arroganz ihrer Figur so gut auf den Punkt wie ihren entwaffnenden Humor. Und egal wie abgerockt sie in manchen Szenen auftritt: Jedes Mal, wenn sie zu singen beginnt, ist sie zum Verlieben schön. Ein Eindruck, zu dem die wunderbare Kameraarbeit von Kat Westergaard ihr Übriges tut. Selbst ohne die etwas plakativen Zwischenschnitte auf Erinnerungsbilder sähe man Halls Gesichtsausdruck an, woran sie denkt, wenn sie das erste Mal davon singt, erneut in den Kaninchenbau gefallen zu sein. Auf eine rein introspektive Funktion der Lyrics lassen sich die Originalsongs aus der Feder von Steve Salett und der Singer-Songwriterin Alyssa Robbins aber nicht reduzieren; besonders „Rabbit Hole“ und das von Hall und Suvari vorgetragene Duett „It’s Easy“ sind so eingängig, dass sie eigene reizvolle Glanzlichter des Films bilden.

Foto: Edition Salzgeber

Am Ende wird Becks Recht behalten: St. Louis bleibt eine Zwischenstation, sie kommt hier nicht an und die Antwort auf ihr Anfangsproblem fällt nicht so aus wie von der Figur erwartet. Dazwischen beeindrucken nicht nur Halls erinnerungswürdige Körper- und Stimmpräsenz, sondern auch absolut köstliche Dialogzeilen und zwei Sexszenen, die selbst in ihrer Dezenz noch verdammt aufregend sind. Das Stakkato des Anfangs ist da längst vergessen.




Becks
von Elizabeth Rohrbaugh & Daniel Powell
US 2017, 92 Minuten, FSK 12,
englische OF mit deutschen UT,

Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

vimeo on demand

VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

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