What a Feeling
Trailer • DVD/VoD
An ihrem Hochzeitstag bekommt die Wiener Ärztin Marie Theres ein besonderes Geschenk von ihrem Mann präsentiert: Er will sich von ihr trennen! Zur Nervenberuhigung greift Marie Theres erstmal zum Glas. Ziemlich betrunken stolpert sie in Bigis Lesbenbar und trinkt dort mit der bindungsscheuen Stammkundin Fa einfach weiter. Am nächsten Morgen kann sie sich nur noch daran erinnern, dass Fa sie nach Hause gebracht hat. Aber haben sie danach auch…? In der warmherzigen lesbischen Rom-Com „What a Feeling“ von Kat Rohrer glänzen Caroline Peters und Proschat Madani als zwei Frauen, die erst in der Mitte des Lebens zueinander finden – aber dann so richtig. Es geht um Selbsterkenntnis, den Mut zum Neuanfang und um Entscheidungen, die sich richtig anfühlen, ganz egal, was die anderen denken oder sagen. Arabella Wintermayr über einen lesbischen Abenteuerfilm aus Österreich, der im Oktober in der Queerfilmnacht zu sehen ist.

Foto: Salzgeber
Auf ins Unbekannte!
Manchmal bedarf es einer Vertreibung aus dem vermeintlichen Paradies, um zu der bitteren, aber heilsamen Einsicht zu gelangen, dass es längst keines mehr war. Denn schon der feste Wille, mit dem eigenen Leben ganz und gar im Reinen zu sein, genügt manchmal, um den Blick darauf zu versperren, dass das in Wahrheit gar nicht der Fall ist. Dann kehrt erst aus der erzwungenen Distanz zu dem, was man einst als ein gelungenes Dasein verstand, langsam die Sicht darauf zurück, was man wirklich von diesem Leben will.
Die österreichische Filmemacherin Kat Rohrer greift in ihrem Spielfilmdebüt „What a Feeling“ diese Art der befreienden Desillusionierung auf. Mit erzählerischer Leichtigkeit inszeniert sie das anfängliche Entsetzen über das unerwartete Ende einer langjährigen Beziehung und das Gefühlschaos, das ein radikal verändertes Leben nach sich zieht. Vor allem aber zelebriert ihre romantische Komödie den Bruch im Alltag als die glückliche Chance, die er bedeuten kann.
Im Zentrum des illustren Geschehens steht die etwa 50-jährige Marie Theres, gespielt von Caroline Peters. Und damit eine Frau, die fest in den wohlhabenden Wiener Kreisen verankert ist und sich scheinbar mühelos in der Rolle der perfektionistischen Ehefrau, Mutter und Ärztin eingerichtet hat. An diesem Abend will sie den 20. Hochzeitstag mit ihrem Anwaltsgatten Alexander feiern. Entsprechend penibel ist alles bis ins kleinste Detail durchgeplant: Der Tisch im exklusiven Restaurant ist reserviert, zwei befreundete Paare sind geladen und der Blumenstrauß, der als stimmungsvolle Dekoration dienen soll, ist persönlich mitgebracht.
Schnell wird klar: Marie Theres ist das, was man einen Kontrollfreak nennt. Doch der paradiesische Schein trügt, muss trügen. Alexander offenbart noch beim Essen seine Erfahrungen, die er bei einem „Work-Life-Balance“-Seminar gemacht hat, das ihn zu sich selbst zurückgeführt habe. Der moderne Mensch, schwadroniert er, habe doch längst jede Verbindung zu sich selbst verloren. Die irritierte Marie Theres versucht noch, am streng gepflegten Spießbürgeridyll festzuhalten und jede Dissonanz humorvoll zu überspielen, doch es hilft alles nichts. Am Ende des Abends bleiben nur das nüchterne „Ich will die Scheidung“ und eine verzweifelte Marie Theres, die ihren Schmerz in Alkohol zu ertränken versucht, zurück.

Foto: Salzgeber
Anstatt sich in die Untiefen existenzieller Fragen zu begeben, bringt „What a Feeling“ parallel dazu die impulsive und lebenshungrige Fariba, gespielt von Proschat Madani, in Stellung. Sie bildet den Gegenpol zur kontrollierten Marie Theres: Die meist nur „Fa“ genannte, ebenfalls etwa 50 Jahre alte Handwerkerin mit persischen Wurzeln liebt die Unverbindlichkeit und lebt frei von den Zwängen konventioneller Beziehungen, so scheint es. Ihre Auftritte in der lesbischen „Pussycat“-Bar, wo sie nicht nur Stammgast, sondern auch Hauptattraktion ist, gelten als legendär.
Dass diese klischeebeladene Kontrastierung der beiden Frauen dem Film nicht nachhaltig schaden, liegt vor allem an dem meist funktionierenden „Culture-Clash“-Witz, der aus ihr erwächst. Die skurrile Begegnung der beiden Frauen – Marie Theres, verirrt sich stockbetrunken und verloren ins „Pussycat“ – sorgt allerdings auch für klamaukige Slapstickmomente. „Straight girl gone wild“, kommentiert die resolute Barkeeperin Bigi (großartig: Barbara Spitz), als sich die deplatziert wirkende Ärztin zum Song, dem der Film seinen Titel verdankt, zum Affen macht – und „straight girl down“, als Marie Theres kurz darauf auf der Tanzfläche zusammenbricht.

Foto: Salzgeber
Fa, die sich normalerweise nicht um fremde Schicksale schert, nimmt Marie Theres unter ihre Fittiche, bringt sie nach Hause und öffnet damit unwillentlich das Tor zu einer unerwarteten Annäherung. Die Begegnung der beiden Protagonistinnen – Marie Theres als unsichere, von ihrem alten Leben noch nicht losgelöste Frau und Fa als selbstbewusste, fast schon überhebliche Figur – erzeugt eine unterhaltsame Dynamik, die dem Film seinen Charme verleiht.
Zu dem tragen auch die liebevoll, wenn auch stets etwas simpel gezeichneten Lebenswelten der beiden Frauen bei. Das „Pussycat“ wird als wiederkehrender Schauplatz zu einem Hort der lesbischen Gemeinschaft, wie er im deutschsprachigen Raum nahezu nicht mehr existiert. Die Bar ist Treffpunkt einer eingeschworenen Truppe, die einander mit augenzwinkernder Solidarität begegnet. Man weiß um die wichtigsten Entwicklungen im Leben der anderen Gäste, kennt ihre Eigenheiten und steht, ob gewollt oder nicht, mit Rat zur Seite. Hier wird Kat Rohrers Talent zur Schaffung atmosphärischer Orte sichtbar, die über ihre visuelle Gestaltung hinaus symbolische Bedeutung besitzen.

Foto: Salzgeber
Nicht weniger zärtlich inszeniert Rohrer die Beziehung von Fa zu ihrer Mutter, einer matriarchalen Figur, die mit einem Mix aus herber Strenge und liebevoller Fürsorge ihre (ungeoutete) Tochter zu einer konventionellen Existenz drängen möchte. Wiederholt echauffiert sie sich über Fas burschikose Kleiderwahl („Hätte es dich umgebracht, etwas Schönes anzuziehen?“) und versucht sie mit – vermeintlich – vielversprechenden Männern zu verkuppeln. Die besonders witzigen Szenen mit der überzeugend aufspielenden Gohar Nurbachsch, die im Film hauptsächlich Farsi spricht, halten die Balance aus (noch nicht unangenehmer) kultureller Überzeichnung und warmherzigem Humor.
Störend wirken die formelhaften Elemente in „What a Feeling“ dann allerdings im Kontext von Marie Theres sozialen Kreisen, in deren Mitte sie immer wieder zurückkehrt, bis sie sich schließlich vollständig von ihren einstigen Vorstellungen vom persönlichen Glück lösen kann. Die oberflächlichen Diskussionen und Lästereien ihrer snobistischen Freundinnen werden bis zur Karikatur überspitzt. Ebenso ungelenk ist die Figurenzeichnung von Marie Theres pubertierender Tochter Anna, die als Klimaaktivistin den Geografieunterricht stört, weil darin die Ausbeutung des globalen Südens durch die Industrieländer nicht genug behandelt wird.

Foto: Salzgeber
Wenn Rohrer ihre beiden Protagonistinnen aufeinandertreffen lässt, treffen nicht nur zwei unwahrscheinliche Liebende, sondern auch zwei verschiedene Welten aufeinander, die zunächst immer wieder in Konflikt miteinander geraten und sich erst abstoßen müssen, um tieferliegende Gemeinsamkeiten zu entdecken. Mitunter bedient sich „What a Feeling“ dabei eines Kniffs, der an die Funktionsweise von Seifenopern erinnert: Um das Geschehen weiter am Laufen zu halten, werden Widrigkeiten ein wenig überdramatisiert. Ob Marie Theres etwa wirklich meinen kann, ihre neue Liebhaberin vor ihrer um politische Korrektheit bemühte Tochter verstecken zu müssen? Die stolze Fa zieht sich daraufhin erst einmal aus Marie Theres Leben zurück, nur um dann wiederum für ihre eigene Doppelzüngigkeit verstoßen zu werden. Schließlich hat auch sie bislang nicht den Mut aufgebracht, ihrer konservativen Mutter von ihrer Anziehung zu Frauen zu erzählen.
Damit, immerhin, schließt sich der Kreis: Kat Rohrer konfrontiert schließlich auch ihre zweite Protagonistin mit der bitter-heilsamen Erkenntnis, sich im Hinblick auf die eigenen Wünsche bislang erfolgreich selbst getäuscht zu haben – und ernsthaften Beziehungen vielleicht nur aus Angst vor einem Outing ausgewichen zu sein. Dass sich in „What a Feeling“ letztlich alles in Wohlgefallen auflösen wird, tut der Freude am Film keinen Abbruch. Zumindest dann, wenn man ihn als das ernstnimmt, was er sein möchte: Ein gutgelaunter „Feel Good“-Stoff, der den Aufbruch ins Unbekannte als ein Abenteuer feiert, für das es niemals zu spät ist.
What a Feeling
von Kat Rohrer
AT 2024, 110 Minuten, FSK 12,
deutsche OF
Als DVD und VoD