Single, Out

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Wenn Teenager Adam gerade nicht an seinem Kunstprojekt arbeitet, hält er online nach heißen Typen Ausschau. Dass er schwul ist, sollen eigentlich noch nicht alle wissen. Doch als sich einer seiner Chats als Josh herausstellt, der beste Freund seines großen Bruders Clay, traut sich Adam aus seinem Versteck. Nach dem ersten Mal ist plötzlich alles anders. Adam ist jetzt out – aber immer noch Single. Die Frage ist nur: wie lange noch? In sechs Episoden erzählt Lee Galea in seiner Miniserie „Single, Out“ von den sexuellen Irrungen und Wirrungen von Bilderbuch-Twink Adam, der sich dabei auf seine Freunde fast immer verlassen kann. Jetzt gibt es die komplette erste Staffel des Publikumshits aus Australien auch in Deutschland zu sehen. Christian Horn über eine Feelgood-Serie mit viel Selbstironie.

Foto: Salzgeber

Go with the Flow

von Christian Horn

Adam ist sich im Klaren darüber und absolut fein damit, dass er schwul ist. Außer seinem besten Freund Marco, der ebenso auf Männer steht und bereits im fortgeschrittenen Datingtrubel steckt, weiß Adams Umfeld allerdings noch nichts davon. Der Teenager aus Melbourne findet einfach nie den richtigen Zeitpunkt für ein Coming-out. Auch fehlen ihm erotische oder romantische Erfahrungen. Das ändert sich fundamental, als Josh in Adams Leben tritt, der beste Kumpel seines älteren Bruders Clay. Nach einem gemeinsamen Pizzaessen schreibt der pansexuelle Josh den feschen Bruder des Freunds über einen Messenger an: „Anytime“, Smiley. Es funkt auf der Stelle, der feinsinnige Adam verbringt sein erstes Mal mit Josh, eine unbeschwerte Verliebtheit folgt. Und ein impulsives Coming-out vor dem Bruder, der Mutter und deren neuem Lover, halb spontan, halb ganz bewusst genau jetzt, wie das Leben eben so spielt.

Das passiert recht direkt zum Auftakt der Festival-erprobten Miniserie „Single, Out“. Der australische Autor und Regisseur Lee Galea, der 2013 mit dem Liebesdrama „Beautiful Love“ (OT: „Monster Pies“) von sich reden machte, hält sich nicht lang mit dem sorgenvollen Hinterfragen der aufkeimenden Sexualität auf, mit vorsichtigem Anbändeln und Zaudern. Stattdessen geht es sofort los – die knackige Laufzeit von sechs mal zwanzig Minuten lässt ohnehin kaum Zeit für umständliche Anbahnungsschleifen. Der sympathische Protagonist weiß von Beginn an, was er will, es ist ganz simpel: „I’m a guy who likes guys“. Und jung ist er, wäre hinzuzufügen. Galea lädt das Publikum unmittelbar in diese Situation ein, um den Twink Adam bei seinen ersten Schritten im offiziellen Schwulsein zu begleiten, beim aufregenden Besuch im rosarot beleuchteten Gay Club, bei den ersten Dates, dem sexuellen Erwachen und schließlich, klar, beim vorprogrammierten Liebeskummer.


Mit viel Freude an augenzwinkernder Selbstironie und einem Hang zum Spiel mit Klischees verpackt Galea die jugendliche Selbstfindungsreise in eine prägnante Feelgood-Serie. Den Humor mischt der Serienschöpfer mit ernsten Untertönen und nachdenklichen Passagen, die das Gefühlsleben der Akteure nie bloßstellen. Im Zentrum steht eine queere Selbstermächtigung und eine bejahende Sicht darauf. Umstandslos und eingängig umschifft Galea jeglichen Problemfilmanstrich, ihm geht es um einen zarten Blick auf junge Liebe und die zugehörigen Irrungen und Wirrungen, Hochs und Tiefs, vor denen selbstverständlich auch ältere Semester nicht gefeit sind. Zum Gesamtbild gehört auch Adams künstlerische Ambition als Fotograf und ungesehener „Künstler mit kleinen Zeichnungen“, der sich unbedingt ausdrücken will. Dabei korrespondiert das gestalterische Schaffen mit dem eigenen Leben, wenn Josh für Adams Fotoprojekt Modell steht. Thema: Gleichgeschlechtliche Liebe.

Die sechs Folgen zeigen die Auswirkungen von Adams neuem Lebenskapitel auf sein eigenes Selbstverständnis und auf sein nahes Umfeld, auf Freunde, Flirts, Familie. Der Cast ist dabei fast durch die Bank jung, als einzige Vertreterin der älteren Generation hat Adams und Clays Mutter eine kleine Rolle, ganz peripher kommt auch deren aktueller Liebhaber vor. Der Rest steckt mitten in der Ausprobierphase. Der beste Freund Marco dient Adam als Türöffner für die Queerszene, als Flirt-Coach und Ratgeber, während Josh eine Triebfeder für die Einläutung des neuen Lebensabschnitts ist. Eine besondere Tiefe gewinnt Adams vielschichtige Beziehung zu seinem Bruder Clay. Der ist heterosexuell, aber keineswegs homophob – für Geld massiert er sogar Männer, die zweideutige Absichten verfolgen. Das enge brüderliche Band zwischen Adam und Clay, das auch Konkurrenzverhalten heraufbeschwört, zieht sich wie ein roter Faden durch die erste Staffel. In menschlich nahen Augenblicken entwirft die Bruderbeziehung ein positives Gegenbild zu den oft gesehenen Familienkonstellationen, die durch ein Coming-out vorübergehend oder längerfristig in die Brüche gehen.

Foto: Salzgeber

Inszenatorisch arbeitet Lee Galea mit hellen, übersichtlichen Bildern und Montageszenen, die mit reichlich Popmusik unterlegt sind. In lockeren Episoden entwirft „Single, Out“ das Porträt einer jugendlichen Gruppe, in der einiges los ist. Mit einer Gesamtlaufzeit von zwei Stunden erreicht „Single, Out“ eine übliche Spielfilmlänge, dramaturgisch funktioniert die Story aber wie eine Serie. Die Folgen enden mit Cliffhangern, Pointen und Wendungen. Der Anfang neuer Episoden überlappt oft zeitlich das Ende der letzten Folge, zeigt das eben Gesehene nochmal aus anderer Perspektive und rekapituliert den Zwischenstand. Wie in der Ausnahmeserie „Fleabag” ist die Erzählweise kompakt, schnell auf den Punkt kommend. Auch das trägt zum Gelingen bei: Es gibt keinen Leerlauf.

Den Gutteil ihres Charmes gewinnt die stark figurengetriebene Serie durch die Besetzung. Nicht nur der Newcomer Will Hutchins überzeugt als Adam, auch die anderen Charaktere sind mit guten, charismatischen Typen besetzt, die ihren Figuren über die Zeit ein glaubhaftes Stück Leben einhauchen. Die liebenswerten Charaktere sind es auch, die die Serie durchgängig interessant halten. Von Folge zu Folge wird die Figurenkonstellation plastischer, echter, lebendiger. „Single, Out“ ist keine hochoptimierte moderne Serie, die das Storytelling neu zu erfinden gedenkt, sondern ein herzlich charmanter, im guten Sinn leichter Zeitvertreib für einen schönen Tag. Klar, dass sich die Serie in ihrem Herkunftsland Australien zum Publikumshit mauserte.

Foto: Salzgeber

Eine typische Konstante von Fernsehformaten ist der auch in „Single, Out“ vorhandene Fokus auf Dialoge. Zwischendurch gibt es immer wieder Stimmungsbilder und musikalisch unterlegte Montagen, in denen beispielsweise auf der Kameralinse gebrochene Sonnenstrahlen ein Gefühl adoleszenter Unbekümmertheit vermitteln oder graue Straßenzüge das Gegenteil davon – das Wesentliche wird aber stets ausgesprochen. Die Wortwechsel sind dem Autor Lee Galea gut gelungen, dynamisch und mit viel Witz tauschen sich die Figuren aus, auch hier bleibt die Regie schnörkellos und effizient.

Zwischen Dating, im Bild eingeblendeten Chats und dem Job auf dem Autowaschhof passiert nicht mehr und nicht weniger als das Leben selbst, einfach so. Echte Romantik und überschäumende Hormone, Gossip über Gwyneth Paltrow oder Kim Kardashian, Filmgespräche mit Marco (etwa über „Der Zauberer von Oz”, den Galea 2017 mit „The Neon Spectrum“ variiert hat) – im reibungslosen Zusammenspiel davon entsteht ein natürlicher, authentischer Flow. Am Ende ist Adam fast unmerklich ein Anderer geworden, nämlich ein selbstbewusster junger Mann, der noch etliches vor sich hat. Wer Adam und seine Leute bis dahin ins Herz geschlossen hat, darf sich freuen: Die zweite Staffel ist schon fertig, die dritte für Anfang 2025 angekündigt. Zu erzählen gibt es nach der Abschlussfolge der Auftaktstaffel noch genug.




Single, Out
von Lee Galea
AU 2022, 120 Minuten (6×20 Minuten),
englische OF mit deutschen UT

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