Professor Marston and the Wonder Women

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Patty Jenkins‘ „Wonder Woman“ war einer der großen Überraschungserfolge des Kinojahres. Ihr Film über die weltweit wohl bekannteste Superheldin stach beinah jede andere Comic-Adaption mit männlichem Personal aus und machte die israelische Hauptdarstellerin Gal Gadot zu Hollywoods neuem Shooting Star. Regisseurin Angela Robinson („Spy Girls – D.E.B.S.“, „The L-Word“) erzählt in dem Biopic „Professor Marston and the Wonder Women“ nun die hochspannende Lebensgeschichte des Psychologie-Professors und Wonder-Woman-Erfinders William Marston a.k.a. Charles Moulton, der mit seiner Frau und einer gemeinsamen Geliebten in einer Dreierbeziehung lebte – was in den USA der 40er Jahre als reichlich unerhört galt. Unser Autor Patrick Heidmann ist vor allem von Robinsons unvoreingenommem Blick auf Polyamorie begeistert.

Foto: Sony Pictures

Superkraft Ménage-à-trois

von Patrick Heidmann

Eine der großen Erfolgsgeschichten, die das Kino in diesem Jahr schrieb, war die von Patty Jenkins‘ „Wonder Woman“, der weltweit über 800 Millionen Dollar einspielte und damit unter den zehn kommerziell erfolgreichsten Filmen des Jahres steht. Es erscheint deswegen passend, dass dieser Geschichte kurz vor Jahresende nun noch so etwas wie eine filmische Fußnote zuteilwird. Womit nicht das nächste Superhelden-Aufeinandertreffen „Justice League“ (Regie: Zack Snyder) gemeint ist, in dem Wonder Woman auch wieder mit von der Partie ist, sondern die Independent-Produktion „Professor Marston and the Wonder Women“, die von der Entstehung der Comic-Vorlage erzählt.

In der Version von Regisseurin Angela Robinson geht diese – im Großen und Ganzen wahre – Geschichte wie folgt: Professor William Moulton Marston unterrichtet in den späten 1930er Jahren am Radcliffe College in Cambridge junge Frauen in Psychologie, mit einem besonderen Fokus auf der von ihm selbst entwickelten DISC-Theorie, die sich mit Dominanz und Unterwerfung befasst. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Elizabeth, deren Psychologinnen-Karriere von den patriarchalen Uni-Strukturen beschnitten wird, erforscht er menschliche Verhaltensmuster und entwickelt unter anderem einen Prototyp des Lügendetektors. Als die Studentin Olive, die nur auf den ersten Blick unbedarfte Tochter aus intellektuell-feministischem Hause, ihre Assistentin wird, stehen bei den Marstons auch privat die Zeichen auf Experiment. Bald führen die beiden Frauen und der Mann eine bemerkenswert gleichberechtigte Dreier-Beziehung, Kinder inklusive. Und als das Trio dann auch noch mit Bondage, S/M und Kostümierungen in Berührung kommt, lässt sich Marston von den beiden Frauen in seinem Leben zur heute längst legendären Comic-Heldin inspirieren. Wonder Woman feiert schnell sensationelle Erfolge. Bis es aufgrund der sexuellen Untertöne und des matriarchalen Gedankenguts zum konservativen Backlash kommt.

Foto: Sony Pictures

Wer noch nie etwas von den Ursprüngen der Superheldin gehört hat, kommt in „Professor Marston and the Wonder Women“ gar nicht heraus aus dem Staunen, so ungewöhnlich ist die Geschichte, die Robinson – die 2004 mit der lesbischen Geheimagentinnen-Komödie „Spy Girls – D.E.B.S.“ auf der Berlinale den Leser*innen-Teddy der Siegessäule erhielt und seit ihrem letzten Kinofilm „Herbie: Fully Loaded“ (2005) vor allem Serienfolgen von „The L Word“ (2004-09), „True Blood“ (2008-14) und „How to Get Away With Murder“ (seit 2014) inszenierte oder schrieb – selbst in Drehbuchform gebracht hat. Geschickt und kurzweilig verquickt sie dabei das Privatleben ihrer drei Protagonist_innen mit den visuellen wie thematischen Inhalten der Comics. Das heißt aber nicht, dass ihr ein makelloser Film gelungen wäre. Der Score von Tom Howe etwa ist arg penetrant, der Tonfall zwischen Tragik und Humor bisweilen ein wenig unausgegoren, und insgesamt hätten die Frauen durchaus noch ein wenig mehr im Fokus der Regisseurin stehen dürfen.

Foto: Sony Pictures

Trotzdem ist es eine pure Freude zu sehen, mit welch ansteckender Leidenschaft Robinson in „Professor Marston and the Wonder Women“ so vieles feiert, was gerade im amerikanischen Mainstream-Kino (und nicht zuletzt in den vielen Blockbuster-Comicverfilmungen) zu oft ausgeblendet wird: Sex im Allgemeinen und Fetisch im Speziellen, das Anderssein und die Relevanz psychologischer Forschungen und nicht zuletzt eben auch unkonventionelle, starke Frauen. Und dazu kommt sogar noch eine Männerfigur, die im Brustton der Überzeugung und gänzlich unironisch von sich behauptet, er sei Feminist.

Foto: Sony Pictures

Vor allem aber begeistert Robinson unvoreingenommener Blick auf das Thema Polyamorie. Wo Dreierbeziehungen im Kino (sogar im europäischen) sonst mindestens argwöhnisch oder schamvoll betrachtet werden und meistens tragisch enden müssen, feiert die lesbische Regisseurin die Liebe zwischen Marston und seinen beiden Frauen, aber eben vor allem auch Elizabeth und Olive untereinander. Dass letztere historisch nicht sicher verbürgt ist, tut der Sache keinen Abbruch. Viel mehr spricht es für Robinson, dass sie diese Perspektive mit größter Selbstverständlichkeit in einem ansonsten durchaus konventionell-massentauglich gemachten Film wählt. Bleibt nur noch zu hoffen, dass es nicht wieder 12 Jahre dauert, bis Robinson den nächsten Film ins Kino bringen darf.




Professor Marston and the Wonder Women
von Angela Robinson
US 2017, 109 Minuten, FSK 6,
deutsche SF, englische OF mit deutschen UT

Sony Pictures

Ab 2. November hier (SF) und hier (OmU) im Kino.

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