Liz in September

TrailerDVD / VoD

„Last Summer at Bluefish Cove“ von Jane Chambers ist ein Klassiker der lesbischen Theatergeschichte. Die venezolanische Regisseurin Fina Torres hat die Geschichte um eine Hetero-Frau, die bei einer Gruppe lesbischer Freundinnen strandet und ein neues Begehren entdeckt, gehörig modernisiert. Chambers braver kalifornischer Süßwassersee wird zum Karibischen Meer und ihr aktivistisches Coming-out-Stück zu einem vielschichtigen Film über Abschied und Neubeginn.

Foto: Edition Salzgeber

Was am Ende bleibt

von Angelika Nguyen

„Ich bin lesbisch auf die Welt gekommen, ohne Zweifel. Als ich dann Erfahrungen mit Frauen machte, wurde ich noch lesbischer. Ich liebe es, mit Frauen zu schlafen!“ Diesen Monolog hält Liz, gelassen im Meer plätschernd, gleich zu Beginn des Films. So weit, so klar.

Liz liebt das Leben auf die leichte Art, sie verführt eine Frau nach der anderen, lässt gebrochene Herzen zurück, ohne sich selbst emotional allzu sehr zu engagieren. „Wer sich verliebt, verliert“, ist ihre Devise. In der karibischen Bucht hinter Caracas, wo eine Freundin von ihr eine Art lesbisches Urlaubsdorf betreibt, ist Liz mit ihrer erotischen Anziehungskraft das vitale Zentrum. Aber das Bild trügt. Liz hat Krebs im fortge­schrittenen Stadium. Nur ihre Ex-Freundin und Vertraute Dolores weiß davon, den anderen Freundinnen verschweigt sie die Krankheit. Dolores assistiert Liz bei den immer häufiger werdenden Schmerzattacken. Einmal nimmt Liz ihr dabei das Versprechen ab, ihr auch beim Sterben zu helfen, wenn es so weit sein sollte.

In jenem Moment, in dem Liz sich schon mit letzten Dingen beschäftigt, landet plötzlich Eva nach einer Autopanne in dem lesbischen Biotop. Eva mag auf den ersten Blick unbedarft wirken, aber auch sie trägt ein Trauma mit sich herum: den Tod ihres kleines Sohnes. Doch davon weiß Liz zunächst nichts. Wie elektrisiert von Evas Erscheinen lässt sich Liz zur Wette mit ihren Freundinnen hinreißen, dass sie die vermeintliche Hetero-Frau binnen drei Tagen ins Bett bekommt. Die Freundinnen beobachten fortan mit viel Kommentar Liz’ Fortschritte.

Regisseurin Fina Torres nutzt diese Sitcom-artige Konstellation, um das mehrschichtige Todesthema ihres Films mit einem leichteren Ton zu grundieren. Neben der kraftvollen erotischen Ausstrahlung seiner Hauptdarstellerin gehören die rasanten Dialoge zwischen den Freundinnen zu den Hauptattraktionen des Films. Das karibische Meer dient Torres als Metapher für Liz‘ Melancholie und Todesnähe. Der Blick über das endlose Blau ist postkartenreif, aber nie kitschig. Immer wieder zeigt die Kamera die Figuren wie treibende Körper, die vom Meeresgrund gesehen beinah leblos wirken.

„Liz in September“ ist das kulturgeschichtlich bemerkenswerte Ergebnis eines beson­deren kollektiven Zusammenwirkens dreier queerer Frontfrauen aus unterschied­lichen Generationen: der US-Amerikanerin Jane Chambers (Jg. 1937), die 1980 die Dramen-Vorlage zum Film, „Last Summer at Bluefish Cove“, schrieb, eines der ersten US-Bühnenstücke mit offen lesbischen Figuren; der unermüdlich produzierenden venezolanischen Regisseurin und Autorin Fina Torres (Jg. 1951), die schon für ihren Debütfilm „Oriana“ 1985 in Cannes gefeiert wurde und hierzulande vor allem durch die Komödien „Cinderella in Paris“ (1995) und „Woman on Top“ (2000) bekannt ist; und Liz-Darstellerin Patricia Velasquez  (Jg. 1971), die ebenfalls aus Venezuela stammt und das erste offen lesbische Top-Model aus Lateinamerika ist. Die geballte Pionierinnen-Power der drei erfüllt den ganzen Film, der das Universale im Besonderen sucht.

Jenes Urlaubsdorf der Frauen bildet die modellhafte Umkehrung des Alltags in der Hetero-Mehrheitsgesellschaft ab, die gewohnten Kämpfe können also draußen bleiben. Auch das Coming-out von Eva wird nicht als Drama erzählt, sondern geschieht eher nebenbei. Viel gewichtiger sind Liz’ Auseinandersetzung mit ihrem bevorstehenden Tod – und ihre Ausbrüche ins Leben. Mehr als einmal beschäftigt Liz die Frage, was denn eigentlich bleibt von ihr, wenn sie tot ist. „Nichts“, stellt sie nüchtern fest. Keine Kinder, keine Bücher. „Alles bleibt gleich, aber ohne mich.“ In ihrem Schlussbild findet Torres auf Liz‘ Frage aber doch noch zu einer anderen, bewegenden Antwort.




Liz in September
von Fina Torres
VE 2014, 100 Minuten, FSK 6,
Spanische OF mit deutschen UT,
Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

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VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)


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