Captain Faggotron Saves the Universe

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Ein kiffender Jesus, verspielte Aliens und dämonische Furries – selten war der Weg zu Weltenrettung und Selbstakzeptanz so hilarious wie in „Captain Faggotron Saves the Universe“! Andreas Köhnemann erkennt in Harvey Rabbits ultra-campem Superhelden-Film Wiedergänger:innen der Hauptfiguren aus den queeren Midnight Movies der 70er Jahre. Doch Captain Faggotron hat Dr. Frank N. Furter aus „The Rocky Horror Pictures Show“ (1975) und Dawn Davenport in „Female Trouble“ (1974) eine entscheidende Sache voraus.

Foto: Salzgeber

Glitzerwolken im Widerstand

von Andreas Köhnemann

„What would Jesus do?“ Diese Frage umtreibt viele Christ:innen. Sie dient (angeblich) als Maxime beim Treffen wichtiger Entscheidungen. In queeren Kreisen ist diese Vorgehensweise deutlich weniger verbreitet. Mit der Jesus-Version, die uns „Captain Faggotron Saves the Universe“ präsentiert, wäre sie hingegen sicher sogar unter Queers weitaus beliebter und würde ganz gewiss zu erheblich entspannteren und sexpositiveren Resultaten führen. Denn der Gottessohn, der hier plötzlich in der priesterlichen Kammer erscheint und um heiligen Rat gebeten wird, hat nicht nur eine ziemlich lockere Einstellung zum Kiffen, sondern auch zu sexueller Identität: „You’re gay, it’s fine“, meint er in aller Ruhe zu dem völlig verzweifelten Priester Father Gaylord. Ebenso unbekümmert kommentiert er die vermeintliche „Katastrophe“, die der Erde drohe: „Let the planet turn gay, who cares?“

Damit steht dieser gechillte Jesus stellvertretend für eine Message der Selbstliebe und Freiheit, die in „Captain Faggotron Saves the Universe“ mit spürbar großer Leidenschaft für das Mitternachtskino der 1970er Jahre vermittelt wird. Der trans Künstler Harvey Rabbit, der das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, nennt im Interview unter anderem „The Rocky Horror Picture Show“ (1975) von Jim Sharman und die frühen Low-Budget-Produktionen von John Waters, etwa „Pink Flamingos“ (1972) und „Female Trouble“ (1974), als prägende Einflüsse.


Diese Filme rücken genderfluide Anti-Held:innen ins Zentrum, die sich den gängigen Moralvorstellungen offen widersetzen: Der von Tim Curry gespielte „Sweet Transvestite“ Dr. Frank N. Furter und die von der Dragqueen-Ikone Divine verkörperten Figuren bei Waters bemühen sich erst gar nicht, von uns als besonders sympathisch, geschweige denn als rechtschaffen empfunden zu werden. Und gerade deshalb sind sie die perfekten Vorbilder, wenn es um den erbitterten Kampf gegen die Heteronormativität geht. Abgesehen davon, haben sie ihren individuellen, flamboyanten Stil, den sie mit maximalem Selbstvertrauen zur Schau stellen.

Hier reiht sich der titelgebende Captain Faggotron nun optimal ein. Er trägt einen sleazy Pornstache, farbenfrohes Make-up, lange Haare, eine neongelbe Kombi aus Kapitänsmütze und obligatorischem Cape, ein grellpinkes Crop Top, eine quietschbunte, sehr enge Spandex-Leggings im Batik-Look und schwarze Stiefel. Die Gegenseite in Gestalt von Queen Bitch steht dem Protagonisten in puncto Kink-Chic selbstverständlich in nichts nach. An einer Berliner Imbissbude kommt es zum Duell zwischen den beiden. Während aufgepumpte Hetero-Helden wie Superman und General Zod in Zack Snyders martialischem „Man of Steel“ (2013) bei ihrem Aufeinandertreffen in der Stadt Metropolis eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, bringt das züngelnde Hotdog-Battle zwischen Faggotron und Queen Bitch keine hässlichen Kollateralschäden hervor, sondern sorgt vielmehr für autoerotisches Vergnügen beim Kioskverkäufer, dem einzigen Zeugen des Wettkampfes.

Foto: Salzgeber

Wie schon „The Rocky Horror Picture Show“ und die Waters-Filme spielt „Captain Faggotron Saves the Universe“ mit Genre-Bausteinen, von Science-Fiction- und Fantasy-Elementen bis hin zu melodramatischen Einschüben. Die ungeschriebenen Gesetze dieser Genres werden dabei genüsslich gebrochen. Während etwa die Rollen von Held:innen und Schurk:innen in Mainstream-Romanen, -Theaterstücken, -Comics, -Filmen und -Serien zumeist sehr klar verteilt sind, wird hier alles schön durcheinandergewirbelt. Betont wird die Fetischisierung von Superheld:innen, die zwar immer extrem offensichtlich ist, aber doch erstaunlich oft auf seltsame Art und Weise unterdrückt wird – zum Beispiel, wenn der schottische Charakterdarsteller und Ex-„James Bond“ Sean Connery in John Boormans „Zardoz“ (1974) im knallroten Lendenschurz und in hohen dunklen Stiefeln auftritt, ohne sich offenbar seiner Funktion als schwules Objekt der Begierde und der gleichzeitigen Ausstellung als dessen bewusst zu sein.

Harvey Rabbit erzählt in „Captain Faggotron Saves the Universe“ vom vermeintlich schurkischen Plan, die Erde in eine Utopie zu verwandeln, in der alle Menschen queer sind und ohne Scham ihre Kinks ausleben. Er greift die Trash-Ästhetik von B-Movies auf, setzt Animationssequenzen und wunderbar alberne Tanzeinlagen ein. Die wilde Mischung aus Musik, sketchartigen Szenen und Erotik ist in erster Linie ein immenser Spaß.

Foto: Salzgeber

Der Film verheimlicht aber nicht, dass hinter dem herrlich schäbigen Glitzer und der unbändigen Lust ein ernstes Anliegen steckt: Der Selbsthass, der den schwulen Father Gaylord dazu bringt, sämtliche nur möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um Queen Bitch aufzuhalten, und die homophobe Gewalt, mit der Captain Faggotron einst konfrontiert wurde (und die ihn in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Father Gaylord trieb), sind als reale Bedrohungen bei aller Stilisierung des Geschehens sehr präsent.

Während „Captain Faggotron Saves the Universe“ in seiner audiovisuellen Gestaltung und seinem subversiven Umgang mit gängigen Figuren- und Erzählmustern also fest in der Tradition der Midnight Movies steht, ist er in Ausgang und Botschaft indes ein bisschen weniger dekadent und pessimistisch als seine Vorgänger: Während Dr. Frank N. Furter den Tod findet und auch Divine als Dawn Davenport in „Female Trouble“ auf dem elektrischen Stuhl landet, sieht Rabbit für seine (Anti-)Held:innen etwas mehr Hoffnung. Dem biblischen Jesus würde das orgiastische Ende des Films vermutlich überhaupt nicht gefallen, der „Faggotron“-Jesus dürfte dagegen recht zufrieden sein. Das Universum ist gerettet – nicht vor einer außerirdisch-queeren Invasion, sondern vor einer allzu irdischen Verklemmtheit. Halleluja!




Captain Faggotron Saves the Universe
von Harvey Rabbit
DE 2023, 72 Minuten, FSK 16,
englisch-deutsche OF, teilweise mit deutschen UT

Am 7. Dezember im Kino