Zoolander 2

Trailer

„Hast du ein Brötchen oder einen Hotdog?“, wird ein von Benedict Cumberbatch gespieltes Transgender-Supermodel gefragt, was mit einem dümmlichen Kichern beantwortet wird. Auf etwa diesem Niveau bewegt sich „Zoolander 2“, das 15 Jahre lang erwartete Sequel zu Ben Stillers großartiger Mode-Satire, in seinem körperpolitisch ausdifferenzierten Setting, was schon nach Trailerveröffentlichung zu Boykottaufrufen von Transgender-AktivistInnen geführt hat. Trans- und Schwulenwitze in einer Modesatire? Na sowas. Für unseren Autor ein Anlass zur Witzanalyse.

Foto: Paramount Pictures

Worüber wir lachen, wenn wir über Arschsex-Sitze lachen

von Sebastian Markt

Wir erinnern uns: Derek Zoolander (Ben Stiller), größtes männliches Supermodel aller Zeiten, Erfinder und Eigner eines unnachahmlichen Gesichtsausdrucks namens „Blue Steel“, wurde vom Modezar und -Produzenten Mugato in einen Plot zur Ermordung des wegen seines Engagements gegen Kinderarbeit zum Problem gewordenen malayischen Premierministers instrumentalisiert, wird vom gehirngewaschenen, programmierten Attentäter zum Retter in letzter Sekunde, entkommt darob seiner notorischen Hohlheit und Oberflächlichkeit, empfindet genuin menschliche Regungen gegenüber anderen Menschen, versöhnt sich mit seinem Erzfeind und nächstgrößten männlichen Supermodel aller Zeiten Hansel (Owen Wilson), verliebt sich, gründet eine Familie und erbaut, als Zeichen seiner Läuterung zur Empathiefähigkeit, das „Derek Zoolander Center for Children Who Can’t Read Good And Want to Learn Other Stuff Good Too“.

15 Jahre und einen, wiederum vom Ben Stiller geschriebenen und inszenierten, Film später lebt der Titelheld als Einsiedler in einer arktischen Wüste („extreme Northern New Jersey“ in einem der ersten guten Witze des Films), in die er sich zurückgezogen hat, nachdem sein Zoolander-Center gleich nach Eröffnung in sich zusammengebrochen ist, seine Frau unter sich begraben, ihn zum Alleinerzieher gemacht hat, was wiederum alsbald vom Jugendamt aufgrund eklatanter Unfähigkeit unterbunden wird. Aus seinem Rückzug holt ihn ein neuerliches Komplott, natürlich wiederum aus der Hand des Erzfeindes Mugato, das sich um einen magischen Jungbrunnen dreht, die Suche nach seinem verlorenen Sohn wie auch die damit verbundene Konfrontation mit seinen seelischen Narben einschließt und mit Hilfe seiner Ex-Nemesis und einer von Penelope Cruz gespielten Interpol-Fashion-Polizistin verhindert werden muss.

Der erste – fantastisch komische – „Zoolander“ hatte seine Premiere Ende September 2001 und war, in gewisser Weise, der letzte Witz vor 9/11, eine in halber Hingabe zelebrierte Parodie auf die zu Ende gegangenen 90er und die Oberflächen ihrer Popkultur im weitesten Sinne, mit einem auch in seinen Beleidigungen treffsicheren Gespür für Identitätsentwürfe, Geschlechter und Körperbilder in der globalen Bilder- und Konsumkultur.

Das Sequel versucht sich nun als Update des ehemaligen Erfolgs, baut dabei im Kern auf den Plot einer relativ generischen Agententhriller- bis Dan-Brown-Verfilmungsparodie, garniert mit einer Nummernrevue an zeitgenössischer Kulturkarikatur – von lokalem Biogemüse bis Celebrityselfies. Der angesagteste Designer der Zoolander2-Gegenwart ist nun Don Atari, eine Art ÜberHipster, dessen nervöse Maximalironie vor allem einen permanenten performativen Selbstwiderspruch generiert. So referenziert „Zoolander 2“, wo er nur kann, die Witze des Vorgängers, fährt ein aberwitziges und sich kompensatorisch anfühlendes Aufgebot an Cameo-Auftriffen von Justin Bieber über Sting zu Valentino auf – und ist in seinem Scheitern dabei nicht allzu interessant.

Für Aufregung sorgte im Vorfeld ein Boykottaufruf von TransgenderaktivistInnen, der sich auf den Trailer zum Film bezog, in dem die Figur von All, einem sich jeder Geschlechterbinarität widersetzenden, von Benedict Cumberbatch gespielten, Supermodel als Witzfigur erschien. Tatsächlich ist All im Film selbst weder Punchline noch besonders witzig und demonstriert eher eine Art humoristischer Ratlosigkeit im Angesicht verschobener sexpolitischer Parameter.

Foto: Paramount Pictures

Der erste „Zoolander“ riss seine Witze weitgehend ohne explizite queere Referenzen. Die Komik seiner male-supermodel-Hauptfiguren bestand nicht zuletzt gerade in der konsequenten Vermeidung andernorts so naheliegender effeminierter Klischees. Sie sind Ausgeburten einer ins Leere laufenden hochgeschraubten Hyperheteromännlichkeit.

Anders der zweite, der von impliziten wie expliziten Anspielungen an als im weitesten Sinne queer codierten Topoi reichlich Gebrauch macht, in einer Gegenwart, in der die mediale Präsenz queerer Themen und Figuren ubiquitär geworden ist, und in einem politischen Klima, in dem das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen in den USA per Verfassung garantiert ist, und sich der rechte Kulturkampf zur polizeilichen Kontrolle einer biologistisch geschlechterkonformen Toilettenbenutzung verschoben hat.

Den beißenden Witz von Teil eins verfehlt er dabei aber weitgehend und bliebt unentschieden dabei, wo er seine Humorachse verlegt. Eine kleine Phänomenologie in Beispielen: da wären (1.) der schlichte Witz über Schwule, mit einer prekären Grenzziehung zum homophoben Witz, versinnbildlicht etwa in Mugatos persönlichem Assistenten, gezeichnet als hysterisch tuntige Krawallschachtel, die doch nichts lieber möchte, als ihrem Herren zur Zufriedenheit zu dienen (der als Figur allerdings schon in Teil 1 angelegt war.). Der Witz selbst ist die Behauptung, die das Klischee von seinen politischen Repräsentationsbezügen suspendieren und Lachen gestatten soll.  (2.) Der topisch schwule Witz, wenn eine apokryphe Schöpfungsgeschichte präsentiert wird, in der der Quell des Jungbrunnens der nicht überlieferte Dritte des paradiesischen Ursprungs ist: jener Steve, von dem es in einer beliebten Invektive gegen die Homoehe immer heißt: „It’s Adam and Eve, not Adam and Steve.“ Der homophobe Topos wird zur Witzprämisse. Schließlich (3.) der strukturell queere Witz, wenn Kiefer Sutherland als er selbst Teil von Hansels polyamoröser Lebensgemeinschaft, die vielleicht auch nur ein polysexueller Harem ist (so klar wird das nicht), deren sämtliche Mitglieder von Hansel schwanger sind, einen Schwangerschaftsabbruch erleidet, weil er eine Tür zu viel eingetreten hat, was er Hansel wiederum, tränenreich und heroisch, zugleich mit Bekenntnis seiner unerschütterlichen Liebe gesteht. Wenn Sutherlands transmediale Persona und ihre grotesken Masuklinitätsfantasien der „24“-Ära auf das Ende begehrens- und körperpolitischer Selbstverständlichkeiten prallt, unter durchaus tragischen Vorzeichen, dann hat sich der Film am Ende von allen Um- und Vorsichten freigespielt.

Solche unbekümmerte Entschiedenheit gesteht sich „Zoolander“ im zweiten Aufguss jedoch leider viel zu selten zu. Es bleibt eine Pointe, die nicht viel weniger müde ist als der Witzdurchschnitt des Films selbst, dass er am Ende vor allem ein Zeugnis der offensichtlich im kulturellen Mainstream immer noch prekären und verunsichernden Selbstverständlichkeit queerer Zustände ist: man weiß eben noch nicht so recht, wer hier worüber und warum etwas zu lachen hat.

 



Zoolander 2
von Ben Stiller
US 2016, 102 Minuten, FSK 12,
deutsche SF,

Paramount Pictures

 

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