Wo willst du hin, Habibi?

Trailer

Der neue Kreuzberger Heimatfilm von Tor Iben, „Wo willst Du hin, Habibi?“, macht sich nicht nur in seinem Titel über das Erzählmuster der Identitätssuche lustig. Das Leben seines Helden ist zwar unnötig, aber komödientauglich, komplizierter als es sein müsste, und doch weiß Habibi eigentlich ganz gut, wo er steht und wo er hin will.

Foto: Pro-Fun

Laber kein Scheiss, Mann

von Jan Künemund

Ibo, so will es der Film gleich mit seinen ersten Bildern zeigen, ist der Vorzeigesohn einer gut integrierten türkischstämmigen Familie in Berlin. Er bekommt seine Bachelor-Urkunde, von diversen „exzellenten Leistungen“ ist die Rede, die Eltern sind stolz, der Onkel brüllt im Tiergarten einen triumphierenden Gruß Richtung Sarrazin.  Berlin, Deutschland, 2014, schwuler Bürgermeister, soziale Mobilität, alles kein Problem.

Natürlich gibts Probleme. Nicht nur, weil Ibo Männer mag und seine Familie das noch nicht weiß. Ein Bewerber namens „Ibrahim Ashkin“ wird eben auch 2014 eher selten zu Vorstellungsgesprächen in Immobilienfirmen eingeladen, exzellenter Bachelor hin oder her. Ein Coming-Out hilft da erstmal nicht weiter.

Der Film ist eine Komödie, deshalb werden ein paar Stereotypen schön auf links gedreht: der attraktive bürgerliche Schwule mit türkischem Hintergrund verliebt sich in einen deutschen heterosexuellen Kleinkriminellen, der sich „Ali“ (für Alexander) nennt. Migranten züchten Kanarienvögel, keine Pitbulls. Köttbullar schmecken in Kreuzberg besser als bei Ikea. Auf der Tonspur gibt es Indie-Songs zu hören, keine Rahmentrommeln und Darabukas. Buddys zahlen für einander auch mal Strafgeld und geben sich Blowjobs. Und Wrestling-Lehrer empfehlen das Spiel mit Identitäten („Du musst dir eine Showpersönlichkeit überlegen, jemand, der du sein möchtest und der du dann aber auch bist – das nennt man Alter Ego!“).

Aber weil der Film eine sehr konventionell erzählte Komödie ist, stehen andere Stereotypen ziemlich ungetwistet im Raum: der deutsche Bürokrat muss natürlich einen beigen Pullunder tragen, der Vater schickt den schwulen Sohn zum Puff, zufälligerweise läuft im Fernsehen ein Bericht über den schwulen türkischen Fußballschiedsrichter Halil Dincdag, wenn es gerade ums Coming-out geht, der Trickbetrüger lässt den braven Deutschtürken klauen, ohne dass der es merkt, und die Frauen mit Migrationshintergrund dürfen kein eigenes Leben haben, sondern nur um den Sohn weinen oder neidisch auf den Bruder sein.

„Wie traurig das ist – wie schön das ist“, sagt die Tante zur unmöglichen Liebes- und möglichen Freundschaftsgeschichte von Ibo und Ali. Es bleibt am Ende der Respekt über für die Erweiterung des woanders mit viel Förderung und TV-Geld entwickelten Erzählformats der Kulturclashkomödie. In Tor Ibens Film wird bemerkenswert wenig Scheiß geredet oder sich erklärt. Im Schlussbild wirbeln die Drachen über dem Tempelhofer Flugfeld als Freiheitssymbol am Horizont durcheinander. Dass die irgendwer festhält, weiß man – aber die Botschaft kommt an.

 



Wo willst du hin, Habibi?
von Tor Iben
D 2015, 80 Minuten, FSK 12,
deutsche OF
Pro-Fun

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