Mein wunderbarer Waschsalon (1985)

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London Mitte der 1980er Jahre. Der junge Britisch-Pakistaner Omar übernimmt den abgewrackten Waschsalon seines Onkels und möbelt ihn zusammen mit dem arbeitslosen Skinhead Johnny wieder auf – sehr zum Unmut von Johnnys alten rechtsextremen Kumpels. Und dann verlieben sich Omar und Johnny ineinander… Stephen Frears humorvolle Abrechnung mit Margaret Thatchers neokonservativer Wirtschafts- und Sozialpolitik war 1985 ein Überraschungshit, machte Daniel Day-Lewis zum Star und gilt heute völlig zurecht als einer der großen Klassiker des queeren Kinos aus Großbritannien. Fabian Schäfer über einen Film, der so vielschichtig und befreit queere und soziale Themen verhandelt, dass er bis heute äußerst sehenswert ist.

Foto: Studio Canal

Politics im Schleudergang

von Fabian Schäfer

Der Titel dreht und dreht sich im Rhythmus einer Waschmaschinentrommel, dann bleibt er stehen und wird lesbar: Ein grafisches Gimmick zu Beginn des Films ganz im Stile seiner Entstehungszeit, das nicht nur mit dem Titel spielt, sondern vorwegnimmt: Hier wird gleich einiges durchgeschleudert. Doch kommt das alles am Ende nicht nur verknittert, sondern auch sauber heraus? Thematisch ist „Mein wunderbarer Waschsalon“ aus dem Jahr 1985 so voll, dass eine Maschinenladung gar nicht ausreichen würde: Der Film thematisiert das multikulturelle Zusammenleben im Süden Londons, stellt Fragen der Klassenzugehörigkeit, behandelt Homosexualität sowie Jugendarbeitslosigkeit und problematisiert den Rechtsruck ebenso wie die individuelle Suche nach ökonomischem Glück.

Doch der Reihe nach: Omar, Sohn eines pakistanischen Journalisten und einer Engländerin, sieht gut aus und strebt nach finanziellem Erfolg. Sein Vater, ein verarmter Sozialist, sähe ihn lieber bildungshungrig am College, doch Omar wendet sich für die Zukunftsplanung lieber an seinen gewitzten Onkel Nasser, einen Geschäftsmann. Der lässt ihn zuerst Autos waschen, hat aber schnell eine bessere Idee: Omar könnte doch seinen alten Waschsalon übernehmen! Sein Neffe sagt sofort Ja und ist voller Enthusiasmus. Zufällig begegnet er kurz darauf Johnny, einem Freund aus Schulzeiten, und überredet ihn, ins Geschäft miteinzusteigen. Ihr Ziel ist alles andere als bescheiden: den Salon zu einer Fünf-Sterne-Adresse der Waschkultur aufzumöbeln. Name: „Powder“.

Schon in ihrer Jugend waren Omar und Johnny befreundet, obwohl Johnny Mitglied in einer rechtsextremen Clique war. Doch zwischen den beiden unterschiedlichen jungen Männern scheint schon damals mehr gewesen zu sein als nur Freundschaft. Dass Johnny jetzt für einen jungen Mann mit pakistanischen Wurzeln arbeitet, gefällt den anderen in der Gang überhaupt nicht. Immerhin seien „die“ doch ursprünglich gekommen, um für „sie“ zu schuften, nicht andersherum. Und das ist nicht der einzige Konflikt, den der Waschsalon auslöst.

„Mein wunderbarer Waschsalon“ war ursprünglich als Fernsehfilm geplant. Der britische Sender Channel Four beauftragte den Nachwuchsdramatiker Hanif Kureishi mit dem Drehbuch und den aufstrebenden Filmemacher Stephen Frears mit der Regie. Das Budget war mit 600.000 Pfund knapp bemessen. Gedreht wurde, wie damals für Fernsehfilme üblich, auf 16mm.

Dass der Film fürs Fernsehen geschrieben wurde, merkt man vor allem daran, dass alle 15 bis 20 Minuten ein neues Kapitel beginnt – Zeit für Werbung also. Außerdem gibt es kaum große (und teure) Panorama- oder Außenaufnahmen, der dialoglastige Film spielt vor allem in Innenräumen, die Anzahl der Figuren ist überschaubar. Diese Beschränkungen ermöglichten es Kureishi und Frears jedoch auch, unabhängig von strengen Erfolgskontrollen einen authentischen, kompromisslosen und unkonventionellen Film zu machen.

„Mein wunderbarer Waschsalon“ feierte Weltpremiere auf dem Filmfestival in Edinburgh, wurde von der Kritik und vom Publikum begeistert aufgenommen. Für das British Film Institute zählt das Drama zu den 50 besten britischen Filmen des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich gab der Film dem britischen Kino im Jahr 1985 entscheidende Wiederbelebungsimpulse und war für Regisseur Stephen Frears der Durchbruch. Frears ließ Filme wie „Gefährliche Liebschaften“ (1988), „Die Queen“ (2006) und „Philomena“ (2013) folgen und zählt heute zu den wichtigsten britischen Regisseur:innen der vergangenen 50 Jahre.

Und Frears drehte zwei Jahre nach dem „Waschsalon“ noch einen anderen zentralen Film des queeren Kinos: „Das stürmische Leben des Joe Orton“, der den prägnanteren Originaltitel „Prick Up Your Ears“ trägt und die wahre Geschichte des Dramatikers Joe Orton erzählt, der von seinem Partner Kenneth Halliwell umgebracht wurde. Das Mordmotiv: Kenneth ertrug den Erfolg seines Partners einfach nicht mehr. Das Biopic ist nicht nur abgründiger, sondern auch weitaus direkter als der „Waschsalon“, indem es den Fokus auf eine authentische Darstellung des schwulen Lebens im London der 1960er-Jahre setzt, Cruising auf öffentlichen Toiletten und Angst vor Polizeirazzien inklusive. „Das stürmische Leben des Joe Orton“ bereitete den Weg für die die Weltkarrieren von Gary Oldman und von Alfreda Molina.

Foto: Studio Canal

Und auch der „Waschsalon“ war nicht nur für Regisseur Stephen Frears ein Sprungbrett: Hanif Kureishi wurde für sein Drehbuch für den Oscar nominiert und gilt heute als bedeutender britischer Autor; und auch für Johnny-Darsteller Daniel Day-Lewis bedeutete der Film den internationalen Durchbruch. Doch was machte den „Waschsalon“ auch bei einem großen Publikum so erfolgreich? Die vielen Identifikationsmöglichkeiten, die unkonventionelle Figurenkonstellation oder die undogmatische Herangehensweise an seine Themen? Vermutlich alles zusammen.

Die Protgonist:innen des Film kommen zur einen Hälfte aus der weißen Unterschicht, zur anderen aus einer pakistanisch-stämmigen Großfamilie, die es zu beträchtlichem Wohlstand gebracht hat. Der „Waschsalon“ durchbricht damit radikal den damals üblichen Stereotyp der mittellosen Immigrant:innen. Die einzige Ausnahme: Omars Vater, der in bescheidenen Verhältnissen lebende, idealistische Intellektuelle. Die pakistanisch-stämmigen Figuren sind diejenigen, die eine Entwicklung durchmachen, allen voran Omar. Und sie sind keine homogene Gruppe, sondern genauso divers wie die Mehrheitsgesellschaft – mitunter sind sie auch unsympathisch, aggressiv oder erfüllen Klischees. Autor Hanif Kureishi war es wichtig, kein rein positives, idealisiertes Bild der migrantischen Community zu zeichnen. Omars Freund Johnny ist der einzige Weiße, der über einen ausgestalteten Charakter verfügt. Doch als queerer Mann steht aber auch er am Rand der Gesellschaft.

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Die Beziehung von Omar und Johnny verläuft über ethnische und soziale Klassengrenzen hinweg. Wie Romeo und Julia bei Shakespeare trennt sie zunächst eine wie vererbt wirkende,  vermeintlich unüberbrückbare Feindschaft. Trotz dieser Parallelen folgt der Film nicht den Konventionen einer typischen Romanze oder einer normativen Erzählung, bei der am Ende alles gut ist. Vielmehr stellt der „Waschsalon“ klar, dass Rassismus nur schwerlich ganz aus einer Gesellschaft zu bannen ist. Für seine Verbindung zur rechtsradikalen Gruppe entschuldigt sich Johnny nie wirklich bei Omar. Die beiden waschen sich am Ende gegenseitig – doch reingewaschen ist keiner von beiden, auch nicht Omar, der das ökonomische Machtgefälle ausnutzt.

Eine Szene macht die Positionierung der schwulen Beziehung besonders deutlich: Als der renovierte Waschsalon bereit zur Eröffnung ist, warten Johnny und Omar auf dessen Vater. Weil der nicht auftaucht, öffnet das Paar den Laden nicht, sondern zieht sich ins Hinterzimmer zurück. Kurze Zeit später betreten Onkel Nasser und seine Affäre Rachel, die weiß ist und ebenfalls aus der Unterschicht stammt, den Waschsalon. In einer Parallelmontage tanzt das heterosexuelle Paar im Laden einen Walzer, während das schwule Paar miteinander schläft. Beide Beziehungen sind multi-ethnisch und für die damalige Zeit unkonventionell. Frears stellt die Beziehungen durch die Montage als gleichrangig dar, doch im filmischen Raum wird die eine sichtbar, während die andere im Verborgenen bleiben muss.

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Insgesamt ist es indes bemerkenswert, dass ein britischer Film aus dem Jahr 1985 Homosexualität derart selbstverständlich darstellt und nur in wenigen Szenen problematisiert. Bemerkenswert ist auch, dass HIV/Aids noch keine Erwähnung findet. Dabei war das gesellschaftliche Klima höchst ambivalent: Homosexualität wurde im Vereinigten Königreich 1967 zwar legalisiert, bis 2001 galt aber noch ein höheres Schutzalter als für Heterosex. Und 1988 trat die berüchtigte Clause 28 in Kraft, die Kommunalbehörden verbat, Homosexualität als positiv darzustellen. Geprägt ist der Film aber vor allem von Thatchers Wirtschaftspolitik. Mehrmals nehmen die Figuren direkt Bezug auf die „Eiserne Lady“, die während ihrer Amtszeit als Premierministerin (1979-1990) einen äußerst neoliberalen Kurs fuhr. Omars Wunsch nach kapitalistischem Erfolg entsprach ganz dem marktliberalen Ideal, demzufolge es alle schaffen können – und nach dem man Staatsunternehmen, den Sozialstaat oder Gewerkschaften eigentlich nicht mehr brauchte.

Selten hat ein Film so viele gesellschaftspolitische Themen so unverkrampft miteinander verwoben und dabei eine klare Haltung vertreten, ohne dogmatisch zu sein. Auch aus diesem Grund ist „Mein wunderbarer Waschsalon“ ein echter queerer Klassiker und knapp 40 Jahre nach seiner Entstehung noch immer absolut sehenswert!




Mein wunderbarer Waschsalon
von Stephen Frears
UK 1985, 92 Minuten, FSK 16,
deutsche SF und englische OF mit deutschen UT

Als DVD und VoD