Love, Cecil

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Brando, Garbo, Churchill, Monroe, Queen Elizabeth II – der britische Fotograf Cecil Beaton (1904-1980) hatte sie alle vor der Kamera und schuf serienweise Ikonen der Porträtfotografie. Beaton war aber auch ein höchst erfolgreicher Kostümbildner und Innenarchitekt, der für die Kleider und Setdecors für „Gigi“ (1959) und „My Fair Lady“ (1965) drei Oscars erhielt. Regisseurin Lisa Immordino Vreeland („Peggy Guggenheim“) hat über das Multitalent nun einen vielstimmigen Dokumentarfilm gedreht. Darin beleuchtet sie nicht nur die bahnbrechende visuelle Kunst des ewigen Ästheten, sondern auch das schillernde Privatleben des schwulen Dandys und Netzwerkers. Matthias Frings über ein Leben im hellen Glanz – und mit tiefen Schatten.

Cecil Beaton in seinen Zwanzigern.

Und ein Weiß, das fast blendet

von Matthias Frings

Man muss es sich als Glücksfall vorstellen, einen Dokumentarfilm über einen Fotografen machen zu können. Klagen über fehlende Bilder sind hier wirklich fehl am Platz. Es könnte nämlich schlimmer kommen: Wie beispielsweise füllt man anderthalb Stunden mit einem Schriftsteller oder, schwieriger noch, einer Philosophin? Jemandem beim Schreiben oder gar Denken zuzuschauen, dürfte den Zuschauer_innen von heute kaum noch reichen.

Da hat man es mit einem der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts wie Cecil Beaton schon leichter. Auch wem der Name auf Anhieb nichts sagt, der hat ganz sicher schon Bilder von ihm gesehen.

Er hatte sie alle, von Marlon Brando bis Mick Jagger, von Marlene bis Marilyn, von Queen Mum bis Queen Elizabeth. Glanz war sein Thema, ganz gleich ob das Talmi des Films oder die Brillis der Royals. Das Krönungsbild der Queen: Cecil Beaton. Die Kostüme und das Setdesign der berühmten Ascot-Szene in „My Fair Lady“, alles ausnahmslos in dramatischem Schwarzweiß ausgestattet:  Cecil Beaton. Und drei Oscars gabs obendrauf (für „Gigi“ und eben „My Fair Lady“).

Schwarzweiß ist ein gutes Stichwort. Obwohl er auch mit Farbe gearbeitet hat, ist der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß Beatons Erkennungszeichen, ein Schwarz wie harter chinesischer Lack und ein Weiß, das fast blendet. Beatons Augen – er war Jahrgang 1904 – waren am expressionistischen Kino geschult. Wobei er ein Hauptmerkmal des Expressionismus, dessen geschärftes soziales Bewusstsein, nicht teilte. Ganz und gar nicht. Dies dürfte eine direkte Folge seiner Herkunft sein. Sein Vater war Holzhändler, die Mutter Tochter eines Schmieds. Von dort aus gab es im England dieser Zeit nur einen Weg: nach oben.

Großartig, hier in hunderten Fotografien und zahlreichen Filmdokumenten (plus allerlei talking heads von David Hockey bis Manolo Blahnik) nachvollziehen zu können, wie ein junger Ästhet sich pygmaliongleich neu erschafft und seine Umwelt gleich mit. Er stylt sich auf, läuft gern in Frauenkleidern herum, steckt seine Schwestern in die abenteuerlichsten Kostüme, und wird Teil der Bright Young Things, einer von den damaligen Tabloids gefeierten Gruppe jungen Aristokraten und Bohemiens, die It-Girls und -Boys ihr Zeit. Der gutaussehende Cecil posiert, kokettiert und hält alles mit seiner Kamera fest, ein dokumentierter Aufstieg, als könne er es selbst nicht recht glauben. Und dann der übliche Dreisprung der Parvenüs: Cecil Beaton ist stilbewusst, witzig und boshaft.

Cecil Beaton Selbstportrait – Mitte 1930er.

Von einer Ausnahme abgesehen, nämlich bemerkenswerten Fotoarbeiten von diversen Kriegsschauplätzen im 2. Weltkrieg, interessieren ihn der Glanz, eine Art beinharte Schönheit und der unbedingte Wille, eine perfekte Oberfläche herzustellen.

Lisa Immordino Vreelands „Love, Cecil“ blättert in generösen Bildern das Werk eines Künstlers auf, der nicht einfach fotografiert, sondern sich buchstäblich ein Bild macht. Er gehört zu den ersten, die zu diesem Zweck Taillen schmaler machen und Haaransätze von oben nach unten verlegen oder umgekehrt, früher Fotoshop eben. Auch sonst ist er verblüffend modern, man könnte ihn als Großvater der Netzwerker, Instagrammer und Blogger sehen. Er machte Bühnenbilder, Kostüme, Fotos, veröffentlichte zuerst Entwürfe und Skizzen in Ausstellungen, dann in Zeitschriften, anschließend als Buch. Zuguterletzt fotografierte er die Skizzen und verkaufte die Fotos. Wertschöpfungskette heißt das heutzutage.

Cecil Beton gehört gewiss zu den großen Fotografen des 20. Jahrhunderts, wenn auch vielleicht nicht ganz in die erste Reihe. Vielen seiner Arbeiten ist etwas ausgeklügelt Manieriertes zu eigen, oft scheinen sie etwas zurückzuhalten. Gehässig, aber treffend hat ein Kollege einmal verkündet, Beaton sei der einzige akkurate Modefotograf, den es je gab. Lisa Immordino Vreeland, die schon Filme über die Großmutter ihres Ehemanns, die Modeikone Diana Vreeland, und die ebenfalls nicht gerade unmodische Kunstsammlerin und Mäzenin Peggy Guggenheim drehte, pflegt auch hier – optisch opulent, wenn auch ein inhaltlich ein wenig brav – die gute amerikanische Tugend, nicht auf die populäre Kultur herabzuschauen. Ihr ist ein informatives und unterhaltsames Porträt gelungen, aber wenn man so will, kann man dem Film noch eine ganz andere Seite abgewinnen.

Cecil Beaton im Selbstportrait.

Sir Cecil war schwul – „a terrible, terrible homosexual“, wie er in einem Interviewausschnitt sagt. Und seine Affäre mit Greta Garbo widerspricht dem nicht, sondern unterstreicht dies eher. Mit vielen Schwulen teilte er die Überzeugung, das Leben habe ihm ein Ticket zweiter Klasse ausgestellt, und so erarbeitete er sich mit eisernem Willen das, was ambitionierte schwule Männer vor ihm und nach ihm stets angestrebt haben: den sozialen Aufstieg. Ob im London der 20er und 30er oder im Paris der Gegenwart von Didier Eribon, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, bleiben die Methoden die gleichen: Man ästhetisiert sich und seine Umgebung, legt sich einen upper-class-Akzent zu (Beaton hörte sich an, als hätte er seine Zunge in sündhaft teuere  Pumps gepresst), logiert in respektabler Adresse und verschafft sich den passenden Freundeskreis, alles nur, um jeden Schauer des Gewöhnlichen zu vermeiden. Ist der Ehrgeiz groß genug, funktioniert das auch.

Cecil Beaton New York – Späte 1930er.

Nur ist das mit persönlichem Glück und Zufriedenheit so eine Sache: Ruhm kann einen zwar ernähren, befeuern, einen sogar unsterblich machen, aber er wärmt nicht. Und obwohl er auf fast allen Foto- und Filmaufnahmen stets von auffallend vielen Menschen umgeben ist, scheint Cecil Beaton kein sonderlich glücklicher Mensch gewesen zu sein. Offensichtlich kannte er jeden, nur nicht sich selbst. Das Ventil, das dieser doppelte Aufsteiger (als Fotograf und als Schwuler) für sich gefunden hat ist klassisch: Bosheit. „Rude!“ lautet das Wort, das den meisten Interviewpartnern in diesem Dokumentarfilm zu ihm einfällt. Er war bitter, er war böse, er war bitterböse. Katherine Hepburn nannte er einen „stinkenden, vertrockneten Stiefel“, und über Jean Cocteau schrieb er in sein Tagebuch: „Der gesamte Charme einer elektrisch verkabelten Persönlichkeit lässt einen das Aussehen vergessen, nämlich das eines verkleideten Affen, der an einem Drehorgelspielerstab hängt.“ Beunruhigt von der modernen Welt und seiner abnehmenden Bedeutung darin, starb er 1980 nach mehreren Schlaganfällen. Eine Lähmung der gesamten rechten Körperhälfte entsetzte den Mann, der nie etwas anderes sehen und sein wollte als Glanz. Doch wenn alles stets Form sein muss, droht zugleich eine merkwürdige Leere.




Love, Cecil
von Lisa Immordino Vreeland
US 2017, 109 Minuten, FSK 0,
englische OF mit deutschen UT,
Studio Canal

Ab 12. Juli hier im Kino.

 

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