Mamma Mia: Here We Go Again

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Zehn Jahre nach dem Mega-Hit „Mamma Mia!“ (2008), der weltweit über 600 Millionen US-Dollar einspielte und nicht nur von ABBA-Fans als camper Kultfilm verehrt wird, folgt nun die unvermeidliche Forsetzung mit dem programmatischen Titel „Mamma Mia – Here We Go Again“. Ausgedünnter Plot, Hits zweiter Wahl und kaum noch Meryl – kann das funktionieren? Ja, findet Patrick Heidmann. Cher ist schließlich auch noch da …

Foto: Universal

Couldn’t Escape If I Wanted to

von Patrick Heidmann

Mal ehrlich: Hat in diesem Fall irgendjemand wirklich auf eine Fortsetzung gewartet? Schon klar, „Mamma Mia!“, die Leinwand-Version des weltweiten Musical-Erfolgs (1999), der das bemerkenswerte ABBA-Revival der 90er Jahre auf die Spitze trieb, war 2008 ein riesiger Hit und auf erstaunlich unbekümmerte Weise zugleich Trash und charmanter Spaß. Allerdings schien dem Publikum dieser eine Film auch zu reichen. Wem seither der Sinn nach Disco-Ohrwürmern, penetrant guter Laune und einer in Latzhose durch griechischen Sonnenschein tanzenden Meryl Streep war, der sah sich den ersten Film einfach noch einmal an. Und nochmal. Und nochmal. Und wer danach noch das Bedürfnis nach ironischer Distanz hatte, schaute sich einfach die herrlich komische „Mamma Mia!“-Parodie von Dawn French und Jennifer Saunders an.

Tatsächlich stellt sich nun bei „Mamma Mia: Here We Go Again“ im Kino erst einmal Ernüchterung ein. Klar, die Vorfreude ist aller Skepsis zum Trotz durchaus da, schon allein weil es selten eine Zeit gab, in der Eskapismus nötiger erschien. Doch dann erfüllt sich erst einmal die seit der Veröffentlichung des ersten Trailers gehegte Befürchtung: Donna, die Hauptfigur des ersten Teils, ist tatsächlich gestorben, was zur Folge hat, dass man auf den ersten richtigen Auftritt von Meryl Streep dieses Mal verdammt lange warten muss.

Stattdessen arbeitet Donnas Tochter Sophie (Amanda Seyfried) daran, das Hotel ihrer Mutter auf der Insel Kalokairi wiederzueröffnen und idealerweise ihre in Schieflage geratene Ehe mit Sky (Dominic Cooper) zu retten, der gerade in New York zusätzliche Erfahrungen als Hotelier sammelt. Donnas beste Freundinnen Tanya (Christine Baranski) und Rosie (Julie Walters) haben ihren Besuch zur großen Party angekündigt, zu der derweil Harry (Colin Firth) und Bill (Stellan Skarsgård), zwei ihrer potentiellen drei Väter, wohl nicht schaffen werden. Immerhin lebt der ebenfalls noch immer trauernde Sam (Pierce Brosnan) inzwischen nur ein paar malerische Häuser weiter.

Foto: Universal

Der Plot von „Mamma Mia: Here We Go Again“ ist tatsächlich noch schmalspuriger als der des bereits handlungsarmen ersten Teils. Sophies Ehekrise wird in einer einzigen Musicalnummer („One of Us“) verhandelt, und ein Unwetter, das die Eröffnungsfeier bedroht, ist schon das Maximum an Spannung, die der Film wagt. Ansonsten sind eigentlich alle Figuren die meiste Zeit damit beschäftigt zu betonen, wie sehr ihnen Donna fehlt. Als Zuschauer möchte man da gerne miteinstimmen. Dass sich die Hälfte des Films in Rückblenden der jungen Donna (Lily James) widmet, ändert an diesem Bedürfnis wenig. Aber immerhin werden wir so nun Zeuge, wie sie damals direkt nach ihrem Uni-Abschluss die drei Männer ihres Lebens kennenlernt (bzw. innerhalb weniger Tage mit allen drei Sex hat), auf einer griechischen Insel landet und zu Haus und Latzhose kommt.

Foto: Universal

Während sich das also auf der Leinwand abspielt, durchlebt man als Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle, denn fast jeder Aspekt an „Mamma Mia: Here We Go Again“ ist auf kuriose Weise zweischneidig. Regisseur Ol Parker, der sein Regiedebüt mit der lesbischen RomCom „Eine Hochzeit zu dritt“ (2005) gab und später die Drehbücher zu den sehr erfolgreichen „Best Exotic Marigold Hotel“-Filmen schrieb, hat ohne Frage ein besseres Händchen für schmissiges Inszenieren als Phyllida Lloyd damals beim Vorgänger. Wirklich zwingend glückt ihm die Verknüpfung der beiden eher überraschungsarmen Handlungsebenen aber dennoch nicht. Für das Skript gilt ähnliches: Zum einen gibt es da nicht wenige gut sitzende Dialogpointen, an denen Christine Baranski entscheidenden Anteil hat, und auch dass der Film immer wieder Raum lässt für selbstironisches Augenzwinkern, ist nicht verkehrt. Andererseits ist die unbeschwerte Naivität, aus der damals „Mamma Mia!“ einen beträchtlichen Teil seines mitreißenden Charmes gewann, fast gänzlich verflogen.

Auch bei der Besetzung liegen Licht und Schatten dicht beieinander. Während gerade Baranski und Julie Walters genau im richtigen Maß jeden Anspruch auf Subtilität über Bord werfen und Lily James zumindest ansteckend lächelt, wirkt Jeremy Irvine (der junge Sam) darstellerisch in etwa so talentiert wie sein älterer Gegenpart Brosnan in Sachen Gesangsstimme. Das Geknödel des Ex-007 ist dieses Mal immerhin auf ein Minimum reduziert.

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Womit wir dann auch schon bei der Musik wären, die – obwohl Benny Andersson und Björn Ulvaeus persönlich involviert waren (und auch Cameo-Auftritte haben) – vielleicht der größte Schwachpunkt von „Mamma Mia: Here We Go Again“ ist. Denn das Sequel verhält sich zum ersten Film wie damals die Best Of-Fortsetzung „More ABBA Gold“ zum Millionenseller „ABBA Gold“: Wer nicht Hardcore-Fan des schwedischen Quartetts ist, dürfte etliche Songs noch nie gehört haben und sich dann auch nicht wundern, warum etwa „When I Kissed a Teacher“ oder „Kisses of Fire“ keine Welthits wurden. Einige Nummern wie etwa „Dancing Queen“ oder der Titelsong werden derweil einfach recycelt.

An all diesen Dingen könnte man sich nun den Film über stören, auch an der dieses Mal noch penetranteren Künstlichkeit der Kulissen (weder Kroatien, wo dieses Mal die Außenaufnahmen entstanden, noch die Londoner Studios versetzen einen glaubhaft nach Griechenland) oder an Absurditäten, wie dass hier drei Frauen 40 Jahre nach ihrem Studium noch immer die exakt gleichen Frisuren tragen. Spätestens im letzten Drittel weichen diese Irritationen und die latente Melancholie der Geschichte aber dann doch wieder hemmungslos guter Party-Laune, auch dank der etablierten Ohrwürmer – und vor allem dank Cher.

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Ol Parker gibt sich erst gar keine Mühe, sie in der Rolle von Meryl Streeps Mutter (bei einem tatsächlichen Altersunterschied von vier Jahren!) als authentisches Wesen aus Fleisch und Blut zu inszenieren, sondern setzt sie als die Las Vegas-Diva vom anderen Stern in Szene, die sie ja auch jenseits der Leinwand ist. Wenn sie dann, mit perfekt sitzender blonder Perücke, frisch zurechtgezurrt und wie durch einen Instagram-Filter ausgeleuchtet, im Duett mit Andy Garcia „Fernando“ trällert und dazu die kurioseste Choreografie in einem daran insgesamt nicht armen Film hinlegt, erreicht „Mamma Mia: Here We Go Again“ einen Höhepunkt camper Albernheit, wie er in diesem Kinosommer kaum noch einmal zu finden sein dürfte. Selbst der Ärger darüber, dass der Film sein erhebliches queeres Potential ansonsten größtenteils brach liegen lässt (nicht einmal mehr Colin Firth wird ein schwuler Flirt gegönnt!), ist da fast verflogen.




Mamma Mia: Here We Go Again
von Ol Parker
UK/US 2018, 114 Minuten, FSK 0,
deutsche SF & englische OF mit deutschen UT,
Universal

Ab 19. Juli hier im Kino.

 

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