Happy End

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Die Begegnung zweier unterschiedlicher Frauen an einem außergewöhnlichen Ort. Im Spielfilmdebüt von Petra Clever und der „sistas inspiration“ paaren sich Zufälle mit bewährten Rollenfiguren, die im Licht einer narrativen Offenbarung gen Ende doch in neuem Glanz erstrahlen. „Happy End“ ist ein lineares Roadmovie, das nachdenklich, reflektierend, lustig und traurig zugleich sein kann – und das bereits kurz nach seiner DVD-Erstveröffentlichung im Jahr 2014 zu einem lesbischen Liebesfilm-Klassiker avancierte.

Foto: Edition Salzgeber

Letzte Reise

Von Aileen Pinkert

Es ist das wohl schönste Bild des Films. Neben zwei Windkrafträdern am rechten Bildrand steht ein dunkles Auto, gestrandet auf Kiessand, der sich genauso weit in die Ferne erstreckt wie der farblose Himmel über ihm. Gehalten ist die Komposition in einem leicht metallischen Sepiafarbton. Dieses Standbild könnte genauso gut aus einem Werbeclip für eine freiheitsversprechende Versicherung oder aber pro regenerative Energien stammen. Tatsächlich aber markiert es in seiner Exponiertheit – denn es ist im Vergleich zu den anderen Bildern fast zu schön – die Mitte eines kleinen deutschen Spielfilms, dem es gelingt, seine teils eindimensionalen Figuren und die aufgegriffenen Stereotypen dank unerwarteter Wendung am Ende doch mit so etwas wie einer zweiten Medaillenseite zu versehen. Eine Einladung an die Zuschauer, „Happy End“ ein zweites Mal anzusehen.

Zum einsamen Kiesstrand hat die falsche Adresseingabe in ein Navi geführt. Überhaupt erinnern einige der narrativ übertrieben anmutenden Handlungen und Reaktionen auf den ersten Blick an Serienformate, die über nur geringe Produktionsmittel und -zeit verfügen. Dass einige Schauspieler des Ensembles einem vor allem aus Soaps vertraut sind (so Klaus Nierhoff als Rüdiger, bekannt aus „Marienhof“ und „Lindenstraße“, sowie einmal mehr Meike Gottschalk als mürrische Bardame mit Baumarkt-Trauma aus den Anfangsjahren von „Verbotene Liebe“), mag diesen Eindruck natürlich unterstützen.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film vom Zusammentreffen der noch jungen, disziplinierten und doch verträumten Lucca mit der freiheitsliebenden Clubrocksängerin Val die erste Langspielfilmproduktion der „sistas inspiration“ ist. Die bisherigen Kurzfilme vom Filmteam Petra Clever (Buch und Regie) und Karola Keller (Buch und Kamera) liefen erfolgreich auf internationalen LGBT-Festivals, darunter der mit Klischees spielende „The Mermaids“ über eine nerdige Mathestudentin, die sich in eine Footballspielerin verliebt. Die Herausforderung Spielfilm ist in diesem Fall natürlich auch eine finanzielle gewesen, konnte und musste die Postproduktion doch zu einem Teil durch Crowdfunding gesponsert werden. Das ist inzwischen überhaupt eine gute Möglichkeit, nicht nur für junge FilmemacherInnen, aber auch für „Nischenfilme“, sich Gehör und etwas Geld zu verschaffen. Und als Frauen, als lesbische Filmemacherinnen, noch dazu mit queerem Filminhalt, ist „sistas inspiration“ (im filmischen Logo blitzen kurz die Regenbogenfarben auf) angewiesen auf die Unterstützung genau derer, die sich in ihren Filmen wiedererkennen oder auch repräsentiert sehen möchten.

Foto: Edition Salzgeber

„Happy End“ wird nicht nur auditiv von einem leichten Gitarrenpop-Sound und einem stetigen Musikteppich durchzogen. Auch treffen wir immer wieder auf einen zeitlichen Trenner in Gestalt einer Kombination verschiedener, ineinander übergeblendeter Bilder: vorüberziehende Landstraßenabschnitte, Baumwipfel, Wolken, Stadtansichten. Blick nach oben, Blick nach unten, Blick geradeaus. Typische Bildmotive von Roadmovies. On the road befinden sich dann auch Val und Lucca.

Eingeführt werden die beiden Protagonistinnen möglichst gegensätzlich, gegenübergestellt in Parallelmontagen. Das Kraftbündel Val, das mit viel Charisma in schwarzer Lederkluft vor einer Glitzerwand düstere Rockballaden im Sis Club (im anyway in Köln gedreht) schmettert und jeden Abend in Begleitung einer anderen Frau auf der Toilette verschwindet. Und Lucca, deren Bilderbuchkarriere als mit Paragraphen jonglierende Rechtsanwältin vorbestimmt scheint, und die sich zum Verfassen von selbstkritischer Poetry (per Voice-Over ertönen Zitate wie „Ich will Spuren hinterlassen, aber der Boden bleibt sauber“ von Social-Media-Berühmtheit Julia Engelmann) gern einsam in ihr Bett verzieht.

Foto: Edition Salzgeber

Die beiden Frauen lernen sich dann an einem Ort kennen, der für viele Menschen Abschiednehmen bedeutet. Ein Hospiz, in dem Val einer alten Dame Gesellschaft leistet und ihr Gras-Muffins backt. Ein Hospiz, in dem Lucca Sozialstunden, die ihr fälschlicherweise aufgebrummt wurden, mit der Erstellung von Excel-Tabellen ableistet. Nachdem Herma, die Konsumentin der Hasch-Backware, verstorben ist, fahren Val und Lucca in die Niederlande, um dort die Urne vor der vom Sohn initiierten, preiswerten Beisetzung neben der verhassten Schwägerin zu bewahren und sie stattdessen an einem See beizusetzen.

Am Kiesstrand bei den Windrädern angekommen, vermischen sich die Rollen. Nun ist es Lucca, die die aufgebrachte Val zum Lockermachen aufruft. Beide hinterfragen, was eigentlich Gesetz, Recht und Moral sind, wo die Prioritäten liegen; was es heißt, Freundschaft und Liebe zu empfinden. Bis die beiden sich nah und näher kommen, dauert es noch eine Weile. Dabei fasst sich der Film knapp, das tut ihm aber auch gut. Am Ende geht es letztlich um Begegnungen und um das Feiern des Lebens, das nicht ohne den Tod auskommt. Jede Energie bleibt erhalten, kann weder erzeugt, noch vernichtet werden, setzt sich nur woanders fort. Ob das Ende (des Films) glücklich ist, muss jede/r für sich selbst sehen.




Happy End
von Petra Clever
DE 2014, 86 Minuten, FSK 12,
englideutsche OF,
Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

vimeo on demand

VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)

<p“>L-Beach Special

L-Beach Special (gültig vom 15.-28.05.2017)


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