Einen Freund zum Geburtstag

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Ohne Vorurteile und Besserwisserei bewegt sich Regisseur Stephen Cone mit seinem Ensemblefilm „Einen Freund zum Geburtstag“ in der Welt evangelikaler Bibelgruppen im US-amerikanischen Süden und schlägt aus den ideologischen Verengungen auf der einen und den explodierenden pubertären Bedürfnissen auf der anderen Seite dramatisches und oft auch komisches Potenzial. Ein Film über das Wachsen im Erwachsenwerden.

Foto: Pro-Fun

Am Ende war das Wort

von Faraz Shariat

Pfarrers- und Vorzeigesohn Henry Gamble ist ziemlich blond, auf dem besten (Um-)Weg ins „Sacred Land of the Gay“ und frischgebackene siebzehn Jahre alt. Und weil der Übergang von Sweet Sixteen zu Sexy Seventeen gebührend gefeiert werden soll, kommen Familienfreunde und Bibel-Gang dieses Jahr mit viel nackter Haut, elektronischen Mixtapes und heimlichen Drinks zu einer eigentlich ganz schön unchristlichen Geburtstags-Poolparty im Hause der Gambles zusammen.

Den Erz-Christlichen unter uns, denen das schon ein bisschen zu delikat klingt, empfiehlt sich, die ersten fünf Minuten zu überspringen, denn etabliert wird diese allzu vielversprechende Coming-out- und-of-Age-Prämisse mit einer ziemlich heißen Gutenacht-Geschichte: Henry und sein Heterofreund der Marke Quaterback imaginieren gemeinsam und wichsend, wie sie das heißeste Girl der Bibelklasse flachlegen. Spätestens wenn dann Henrys Blick von Quaterbacks geschlossenen Augen über dessen katalogtrainierte Brust bis hin zur masturbierenden Hand tanzt, wird klar, dass hier ein bittersüßer, schwuler Jugendfluch rumhext: No hard feelings, just hard dicks.

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Doch bevor wir uns nun zu sehr in den scheuen Blick und die aufrichtige Wärme des von Cole Doman wirklich sympathisch gespielten Henry verlieben dürfen, zerspringen die weich gezeichneten Konturen unseres vermeintlichen Protagonisten in viele kleine Splitter, die sich ab dem Beginn der Geburtstagsfeier und dem Auftreten neuer Figuren in einer kammerspielhaften Dynamik neu zusammenfügen.

Ob es nun die besorgte Familienfreundin ist, die vor lauter verschwörerischem Fanatismus und Weltangst ihre Tränen kaum zurückhalten kann, der stark depressive schwule Nachbar, der mit Anti-Homosexualitätscamp und Rasierklinge gleichzeitig um Anschluss und Ausweg kämpft, der notgeile Quaterback, der eigentlich Gabe heißt und beim heimlichen Sex im Hinterhaus der Gambles verwirrt Bibelverse rauf- und runterbetet, der gesellige Opi, der das Wasser ein paar Mal zu oft zu Wein hat werden lassen, oder aber der geoutete (Achtung, Spoiler: und in Henry verliebte) Klassenkamerad Logan, der nun nicht mehr nur aufgrund seiner Hautfarbe und (Achtung, Überraschung:) problematischen Familiengeschichte schief angeschaut wird.

Sie alle sind an diesem Tage zu Gast bei Familie Gamble und zweifeln. Zweifeln an der eigenen Mündigkeit sowie den verfügbaren emanzipatorischen Mitteln. Und sie beginnen, sowohl mit den Frakturen in ihren Glaubensanordnungen, als auch den Komplexitäten des Erwachsenwerdens und -seins in einer säkularen Welt, zu spekulieren.

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Ein riskantes Spiel, das aber für viele Figuren der fast ausschließlich weißen Geburtstags-Community (achtzehn von zwanzig Mitglieder des Ensembles) die Kraft der Intervention und für den Film selbst die eigentliche Protagonistin hervorbringt: die Selbstbestimmung.

Beispielhaft dafür ist der Erzählstrang rund um Henrys Mutter Kat. Elizabeth Laidlaw spielt – und das ziemlich virtuos – eine Figur, die für viele queere Coming-of-Age Filme unabdingbar ist: Super-Mom. Unterstützend, aufopfernd und irgendwie unterdrückt, steht sie mit großer Energie Familie und insbesondere Sohn mit Rat und Tat zur Seite. Warum sie ihrem eigenen Mann, Henrys Vater „Pastor Bob“ (Pat Healy), dabei kaum in die Augen schauen kann und sich jede Form von Zuneigung zwischen den beiden wie eine Misshandlung anfühlt, erörtert der Film mit zunehmender (und manchmal leider auch überzeichneter) Dramatik und einem abschließend symbolischen Akt: dem Aussprechen der eigenen Bedürfnisse. Am Ende war das Wort.

Foto: Pro-Fun

Der in Chicago lebende Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Stephen Cone zerlegt in seinem Film „Einen Freund zum Geburtstag“ die oftmals widersprüchliche Psychologie religiöser Verhaltenskodierungen in seine Einzelteile, wobei er durchgängig die richtigen Schnitte setzt. Das überzeugende Ensemble und ein samtweicher Synthie-Soundtrack arbeitet die unterdrückten Konflikte und Begehren fein heraus. Um ein einziges vorstädtisches Poolbecken meißelt er gekonnt sein Figurenmosaik, das die zersprungenen, erz-christlichen Wertesysteme dreier US-amerikanischer Generationen abbildet. „Wo sind die Männer, die heute Abend zu dir gekommen sind? Heraus mit ihnen, wir wollen mit ihnen verkehren“ (Gen 19,5).




Einen Freund zum Geburtstag
von Stephen Cone
US 2015,
83 Minuten, FSK 12,
Englische OF mit deutschen UT,
Pro-Fun Media

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