4th Man Out

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Was passiert, wenn beste Freunde plötzlich einen Schwulen in ihrer Mitte haben? Andrew Nackmans „4th Man Out“ verpasst dem Buddy-Movie einen queeren Twist. SISSY nimmt die derbe Komödie zum Anlass, um einen Blick zurück in die Geschichte eines verrufenen Genres zu werfen: auf Freundschaftsbekundungen am Lagerfeuer, Schwulenwitze und eindeutige Untertöne.

Foto: Edition Salzgeber

Plötzlich Power-Bottom

von Axel Schock

Auch am Buddy-Movie ist der Zeitgeist nicht spurlos vorüber gegangen. Vorbei die Zeiten, in denen die Kerle noch unbekümmert, vor allem von Frauen ungestört, am Lagerfeuer, in Schützengraben oder sonstwo ihre Freundschaften pflegen konnten. Dass man in diesen homosozialen Männerkumpaneien auch immer schon homoerotische Untertöne wahrnehmen konnte, hat Vito Russo bereits vor 35 Jahren in seiner lesbisch-schwulen Filmgeschichte „The Celluloid Closet“ (1981) am Beispiel von Burt Reynolds und Kris Kristofferson in „Zwei ausgebuffte Profis“ (1977) dargestellt. Das Genre hat überlebt, sich aber verändert – und das hat sehr mit den Umgang mit der Homoerotik solch intimer Männerfreundschaften zu tun, die im Laufe der Zeit von immer mehr Zuschauern wahrgenommen wurden. Das rein männlich besetzte Lagerfeuer hat längst seine vermeintliche Unschuld verloren. Es genügte bald nicht mehr, von (abwesenden) Ehefrauen zu sprechen, um die Heterosexualität der Männer zu untermauern. Neben der Highschool-Klamotte wurde das Buddy-Movie zum Genre für angestaubte Schwulenwitze – im homophoben Dienste heteronormativer Abgrenzung.

Doch ganz so unbedarft wie noch in den 80ern traut man sich heutzutage auch im Mainstream-Männerkino nicht mehr, über Schwule Witze zu machen. Stattdessen versucht man sich lässig und aufgeklärt zu geben und spielt selbstironisch mit dem Verdacht mann-männlichen Begehrens. Penetrant, platt und damit selbstentlarvend geschieht dies beispielsweise in der Cop-Komödie „22 Jump Street“ (2014). Interessanter ist das schon, wie Seth Rogen und James Franco in „Das ist das Ende“ (2013) keine Gelegenheit zu homoerotischen Anspielungen auslassen, zugleich aber immer in der Schwebe halten, ob sie als ‚best buddies‘ nicht womöglich doch auch Schwänze lutschen.

Was passiert, wenn sich ein Kerl in einer Buddy-Clique nun tatsächlich als waschechter Homo entpuppt? Andrew Nackman spielt dieses Szenario in seiner Männerkomödie „4th Man Out“ durch und fügt dem Genre des Buddy-Movie damit eine queere Variante hinzu.

Das Setting und die Figuren sind geradezu klassisch. In einer Kleinstadt am Rande des Bundesstaates New Yorks leben vier kernige beste Freunde, die tun, was echte Männer eben so tun: über Frauen herziehen, sich gegenseitig die Lieblingspornos ausleihen, gemeinsam Gewichte stemmen und an Autos schrauben. Adam macht letzteres sogar hautptberuflich und sieht im Blaumann fast so aus wie halbnackte, ölverschmierte Altreifenträger in beliebten schwulen Pin-up-Kalendern. Seinen 24. Geburtstag feiert er selbstverständlich mit seinen drei Kumpels. Alkohol fließt in rauen Mengen. In der Katerstimmung am Morgen danach bringt Adam endlich die drei Worte über die Lippen, die er schon so lange loswerden wollte: „Ich bin schwul!“ Und mit einem Male ist alles in Frage gestellt. Pokerabende ab sofort ohne Tittenwitze? Homo-/Heterosexuelle Zweideutigkeiten ab sofort Tabu?

Adams Coming-out ist zwar die ausschlagende Initialzündung, die das Quartett aus ihren Freundschaftsroutinen herausreißt und ihre Männerritualen infrage stellt. Aber „4th Man Out“ ist dennoch kein Coming-out-Film geworden. Adams innere Konflikte, die jahrelangen Ängste, sich vor der Familie und Freunden zu offenbaren, werden nur kurz benannt, aber nicht tiefergehend thematisiert. Vielmehr interessiert sich Nackman in seinem Langfilmdebüt für die Frage, wie die Heterofreunde lernen, mit der neuen Situation umzugehen und sich in schwule Lebenswelten hineinzufühlen („Was genau versteht man eigentlich unter einem Power-Bottom?“) und sich dann sogar in der Verantwortung sehen, Adam bei der Suche nach einem passenden Lover tatkräftig zu unterstützen. Das alles erzählt Nackman recht amüsant, unterhaltsam, charmant und publikumswirksam – davon zeugt das Dutzend Auszeichnungen bei queeren Filmfestivals –, allerdings auch überraschend vorhersehbar und risikofrei.

Würde man Adam seinen Mr. Right nicht über eine schwule Dating-App, sondern ganz altmodisch über Kontaktzeigen suchen lassen, könnte der Film auch problemlos in den 1980er oder 1990ern angesiedelt sein. Vielleicht macht „4th Man Out“ so gesehen deutlich, dass in den Tiefen des Bundesstaates New York die Uhren eben noch etwas anders ticken als inmitten der queeren Metropole New York City. Dass in der Provinzkleinstadt gut meinende Heterokumpels eben immer noch angesichts eines Schwulen in ihre Mitte Angst haben, er könnte ihnen an die Wäsche wollen und ebenso gut meinende Nachbarinnen die verlorenen Schwulenseelen retten wollen – mit selbstgebackenen und mit dem Antlitz der Jungfrau Maria verzierten Kuchen und Broschüren zu einem Homo-Konversions-Camp.

Seinen Mr. Right findet Adam dann übrigens doch nicht im Internet und auch nicht in der Schwulenbar, in die ihn seine Heterokumpels zwecks Männerschau schleppen. Stattdessen hält „4th Man Out“ ein mann-männliches Happy End bereit, das sonst nur im klassischen Coming-out-Film und nicht im altgedienten Buddie-Movie möglich ist.




4th Man Out
von Andrew Nackman
US 2015, 84 Minuten, FSK 12,
englische OF mit deutschen UT,
Edition Salzgeber

Hier auf DVD.

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VoD: € 4,90 (Ausleihen) / € 9,90 (Kaufen)


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