Ocean’s 8

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In Steven Soderberghs kommerziell höchst erfolgreicher „Ocean’s-Trilogie“ (2001-07) gaunerte sich eine Truppe sprücheklopfenden Meisterdiebe, gespielt von einer All-Star-Besetzung um George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon, durch die Casinos der Welt. Elf Jahre nach dem letzten Teil dürfen nun auch mal die Frauen ran. Gary Ross‘ Spin-Off „Ocean’s 8“ ist mit weiblichen Superstars aus Hollywood gespickt und verspricht emanzipierte Frauenfiguren, vielleicht sogar eine clevere Dekonstruktion des männlich dominierten Heist-Film-Genres. Doch kann der Gender-Swap mit Sandra Bullock, Cate Blanchett und Anne Hathaway dem Stoff wirklich den tiefsitzenden Chauvinismus austreiben? Macht ein Film mit und über Frauen schon einen feministischen Film? Eine Feldversuch.

Foto: Warner Bros.

Twitter-Bots mit Brüsten und ein Raubüberfall

von Beatrice Behn

Es ist „Ladies Night“ im lokalen Multiplex. Vor dem Film gibt es gegendertes Programm bestehend aus einem Gläschen Prosecco, der hier scheinbar nur in seiner natürlichen heterosexuellen Form – der laut kichernden Damenrunde – eingenommen werden darf, und leger am Eingang verteilten Frauenmagazinen. Titel: die neusten 200 „Must-Haves“ des Sommers. Das Publikum besteht fast ausschließlich aus größeren Frauengruppen. Hier und da ein paar einzelne Männer, die wohl in der Hoffnung gekommen waren, einen unterhaltsamen Film zu sehen und mit etwas Glück ein wenig erotischen Zugewinn zu erhalten. Diese Hoffnung teile ich mit ihnen. Denn der Film verspricht zwei Dinge: emanzipierte Frauenfiguren, die clever, kompetent und cool sind, und – wenn auch nur im Subtext – einen Film, der allein ob der Konstellation einer Gemeinschaft von Frauen, die zusammen einen Juwelenraub begehen, eine queere sexuelle Note mit sich bringt. Emanzipiert, wenigstens ein bisschen queer und sexuell? Haltet die Klappe und nehmt mein Geld!

Clever, kompetent und cool sind sie in der Tat, das muss man diesen Ocean’s 8 zugestehen. Es macht Spaß ihnen zuzuschauen, wie sie – alle Meisterinnen ihres Faches – diesen Juwelenraub planen und ausführen. Vor allem, wenn man das Subgenre des Heist-Films einmal genauer betrachtet. Raubzüge sind im Kino nämlich fast ausschließlich Männersache. Und wenn Frauen einmal ran dürfen, dann nur als kleine, oft dümmliche Gehilfinnen oder heillos überforderte und grandios scheiternde Amateurinnen.

Doch ein Film mit Frauen macht noch lange keinen feministischen Film, auch wenn „Ocean’s 8“ von Regisseur Gary Ross dieses Versprechen schon von Anfang an in seine Marketingkampagne einbaute. Letztendlich liefert er aber nur plakative Lippenbekenntnisse, hinter denen eher Ideen von Vermarktbarkeit als der Wunsch nach Emanzipation und Repräsentation stehen. Man darf nicht vergessen, dass Hollywood sich einen Dreck um bessere Repräsentation schert. Dass es „Ocean’s 8“ gibt, ist, genau wie übrigens die Existenz von Paul Feigs „Ghostbusters“ (2016), Ergebnis einer Marktstudie, die bestätigt hat, dass das Publikum jetzt auch mal Frauen sehen will. Lässt man Frauen also einfach Männerfiguren spielen, noch dazu in Remakes/Spin-Off/Sequels etc., dann muss man sich beim Drehbuchschreiben nicht mal Mühe geben.

Foto: Warner Bros.

Doch eine weibliche Schauspielerin macht eben noch keine weibliche Figur, selbst wenn man mit Sandra Bullock, Cate Blanchett, Rihanna, Mindy Kaling, Awkwafina und Co. eine hervorragende und relativ diverse A-Riege vor sich hat. „Ocean’s 8“ ist einer dieser Gender-Swap-Filme, der Frauen zu einer absurd-ambivalenten Gender-Mimikry zwingt, indem sie Männerrollen mit hinzu addierten Frauenklischees übernehmen müssen, die dann als feministisch verkauft werden. Genau deshalb sind die „Ocean’s 8“-Frauen zur Abwechslung kompetente Räuberinnen – denn sie sind eigentlich Männerfiguren.

Cleverness und Kompetenz sind genau wie andere Aspekte von Aussehen, Persönlichkeit und Dramaturgie aus den männlich besetzten Vorgängerfilmen einfach übernommen. Sie speisen sich aus den Originalquellen, dem Rat-Pack-Film „Frankie und seine Spießgesellen“ (1960) und Steven Soderberghs Remake „Ocean’s Eleven“ (2001). Beide Filme sind voller kühler, nie um einen Spruch verlegener Hypermaskulinität und konstruierter Coolness, die die Figuren zu Teflon-Menschen macht, die lieber Sprüche klopfen, als menschliche Wärme oder emotionale Erreichbarkeit preiszugeben. Der Kern dieser Filme ist Kameradschaft. Man will mit diesen Typen abhängen.

Nicht so bei den Frauen. Faul und einfach funktional zusammengewürfelt, muss man hier einem Ensemble voller genialer Schauspielerinnen zusehen, die nicht miteinander interagieren dürfen. Ihre einzigen Gemeinsamkeiten sind Brüste und ein Raubüberfall. Herrje, ein Großteil von ihnen redet nicht mal miteinander. Und wenn sie es tun, wie zum Beispiel die angeblich langjährigen Freundinnen, gespielt von Sandra Bullock und Lesben-Ikone Cate Blanchett, dann wird deutlich, dass heterosexuelle, maskuline Coolness mit Frauen nicht funktioniert. Die beiden wirken wie Twitter-Bots, die sich gegenseitig antworten, aber nicht wie Menschen oder Frauen oder Freundinnen.

Foto: Warner Bros.

Es zeigt aber noch etwas anderes ganz deutlich: Maskuline Coolness hat einen Grund. Sie dient dazu, homosoziale Situationen zu entschärfen und nicht homoerotisch werden zu lassen. Egal ob Rat-Pack oder George Clooney und Co. – die Männergruppe muss unbedingt hetero und darf untereinander niemals sexuell sein. Die klinische Bereinigung männlicher Beziehungsmuster ist uns allen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie kaum noch bemerken. Außer bei Gender-Swap-Filmen, in denen plötzlich Frauen genauso sagrotanisiert miteinander umgehen und es absurd unmenschlich wirkt. „Ocean’s 8“ ist so unsexy und geschlechtslos, dass man sich wundert, ob diese Personen überhaupt Genitalien haben.

Trotzdem kann der Film es nicht lassen, noch eine Schippe faules queerbaiting einzuwerfen. Da wird die arme, hungrige queere Seele angelockt mit einem potentiellen queeren Subplot zwischen Blanchett und Bullock, doch letztendlich ist da nichts außer einer traurigen, weil männercoolen Szene, in der die eine der anderen ein bisschen Bauernomelette in den Mund schiebt. The. End.

Foto: Warner Bros.

Natürlich gibt es Verlangen in den Heist-Filmen. Es verschiebt sich nur. In den mit Männern besetzten Teilen ist der Raub das neue Fetischobjekt. Wie ein Sexakt verfolgt man ein langes, sich steigerndes Vorspiel an Vorbereitung auf den Coup, das im Orgasmus des Erfolgs kulminiert. Doch genau hier darf „Ocean’s 8“ nicht mitspielen. Denn an dieser einzigen saftigen Stelle wird die Extraportion Genderklischee angelegt. Sie verlagert den Fetisch weg von Kompetenz und Können hin zu schicken Kleidern, geilen hochhackigen Schuhen, Juwelen, die man nicht klauen, sondern tragen will, Kim Kardashian und Heidi Klum. Kurzum, die Frauenmagazine am Eingang waren schon der richtige Hinweis in welche Richtung dieser Film geht. Und es funktioniert. Schon beim Abspann sprechen die Prosecco-Frauen vor mir von den Klamotten und davon, was sie sich unbedingt jetzt kaufen müssten.




Ocean’s 8
von Gary Ross
US 2018, 110 Minuten,
deutsche SF & englische OF mit deutschen UT,

Warner Bros.

Ab 21. Juni hier im Kino.

 

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