Absolutely Fabulous – Der Film

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„It’s fabulous, darling!“ Kaum ist sissy wieder da, drängeln sich schon Eddy und Patsy mit aufs Bild, die ewigjungen Lifestyle-Königinnen der Londoner Mode- und Partyszene, die mit hedonistischem Ungehorsam und grenzenloser Schamlosigkeit seit Anfang der 90er Jahre queere Identifikationsangebote im Übermaß liefern. Nachdem sie fünf Staffeln lang die ehrwürdige BBC aufgemischt haben, treiben sie ab 8. September im Kino ihr Unwesen. Anlässlich des Starts von „Absolutely Fabulous – Der Film“ wirft Patrick Heidmann einen Blick zurück auf ein hoch-campes TV-Phänomen und erzählt, was ihm die Darstellerinnen Jennifer Saunders und Joanna Lumley über die Entstehungsmythen der Serie, deutschen Humor und ihre schwule Fanbase verraten haben.

Foto: 20th Century Fox

Too Much is Not Enough

von Patrick Heidmann

Was heutzutage undenkbar ist, war in den 90er Jahren noch vollkommen normal: Anderswo wurde Fernseh-Geschichte geschrieben – und in Deutschland bekommt es niemand mit. So geschehen im Fall von „Absolutely Fabulous“ (1992-2012), jener Sitcom, die in ihrer Heimat stets ein Millionenpublikum vor die Bildschirme lockte und vom British Film Institute gar zu einer der 20 besten UK-Fernsehserien aller Zeiten gekürt wurde, aber bei uns bis heute bei vielen nur Achselzucken auslöst. Grund genug also, anlässlich des Kinostarts von „Absolutely Fabulous – Der Film“ das Komödienphänomen näher unter die Lupe zu nehmen.

Ihre Ursprünge nahm die von Hauptdarstellerin Jennifer Saunders geschriebene Sitcom mit einem Sketch in der (bei uns ebenfalls sträflich unbekannten) Show „French & Saunders“ (1987-2007), dessen Prämisse dankbar schlicht war: eine alleinerziehende Mutter in ihren Vierzigern benimmt sich verantwortungslos wie ein Teenager, während ihre jugendliche Tochter die Vernünftige ist und den Alltag schmeißt. Mit der BBC im Rücken adaptierte Saunders, damals bereits eine feste Comedy-Größe im britischen Fernsehen, ihre eigene Schöpfung als Serie. Die ersten sechs Folgen von je 30 Minuten Länge wurden Ende 1992 ausgestrahlt.

Auch in „Absolutely Fabulous“ spielt Saunders als PR-Beraterin Edina ‚Eddy‘ die dem Alkohol zugeneigte, Geld zum Fenster heraus schmeißende und mit Oberflächlichkeiten wie Hüftspeck, Esoterik-Trends oder neuen Lacroix-Kleider beschäftigte Mutter. Töchterchen Saffy (Julia Sawalha) steckt derweil in biederen Rollkragenpullis, gibt die züchtige Moralinstanz und kocht ihr morgens den Kaffee zum ausnüchtern. Die zentrale Dynamik der Serie allerdings wurde zusehends eine andere, dank Eddys bester Freundin Patsy (Joanna Lumley), ihres Zeichens Redakteurin einer Modezeitschrift und dauerhaft mit Zigarette im Mund und Glas in der Hand.

Zwei Freundinnen, die hemmungslos und ungeachtet von Außenwirkung oder gesellschaftlichen Normen dem Hedonismus frönen und in deren Alltag Männer bestenfalls am Rande vorkommen (weitere feste Rollen spielen June Whitfield als Eddys Mutter und Jane Horrocks als ihre Assistentin) – das war Anfang der 90er nicht nur bahnbrechend, sondern traf auch einen Nerv. Mit einer eigenwilligen Mischung aus schriller Überzeichnung, beißender Ironie und ausgelassener Albernheit fuhr die vor Live-Publikum gefilmte Sitcom nicht nur Traumquoten, sondern auch einen BAFTA als beste Comedy-Serie ein. Nach zwei weiteren Staffeln sowie zwei Sonderfolgen sollte 1996 eigentlich Schluss sein, bevor die Nachfrage seitens Fans und Sender ab 2001 auch noch zu den Staffeln vier und fünf sowie abermals zwei Specials und schließlich – anlässlich des 20. Jubiläums – noch einmal drei Folgen führte.

Foto: Polyband

In Deutschland war es unterdessen ein Kinderspiel, von all dem nichts mitzubekommen. Nachdem die ersten Folgen zunächst beim damals noch jungen Pay-TV-Sender Premiere liefen, holte später Arte die Serie hin und wieder ins Nachtprogramm. Immer mal wieder fand man sie auch auf Nischensendern wie tm3, Sat.1 Comedy oder einsfestival, doch große Notiz nahm von „Ab Fab“ (wie Fans den Titel gerne abkürzen) hierzulande kaum jemand – zumal in den Zeiten vor Twitter, Downloads und Streamingdiensten .

„Erklären kann ich mir das Desinteresse bei Euch nicht wirklich“, zuckt Saunders beim Interviewtermin anlässlich der Premiere von „Absolutely Fabulous – Der Film“ mit den Schultern, nicht wissend um die Comedy-Feindlichkeit der Öffentlich-Rechtlichen und den US-Sitcom-Wahn hiesiger Privatsender. „An unserem Humor kann es eigentlich nicht gelegen haben. Zumindest habe ich den nie als dezidiert britisch, sondern immer recht universell empfunden.“ Auch die mangelnde Kenntnis der britischen Popkultur- und Medienlandschaft, die einen bisweilen durchaus ein paar Gags über das Dauergäste im Klatschblatt „Hello“ verpassen lässt, reicht nicht als Erklärung, wie der Blick in andere Länder zeigt: in den Niederlanden wurde die Serie ein riesiger Hit, und in Frankreich war man sogar derart begeistert, dass sie dort 2001 zu einem Kinofilm namens „Absolument fabuleux“ verarbeitet wurde (mit Josiane Balasko und Nathalie Baye in den Hauptrollen). In den USA, wo „Ab Fab“ bis heute immer wieder im Kabelfernsehen wiederholt wird, traten Saunders und Lumley in ihren Paraderollen sogar in einer Folge der Erfolgssitcom „Roseanne“ auf, deren Schöpferin Roseanne Barr eine Weile lang auch ein US-Remake (mit Carrie Fisher) auf die Beine zu stellen versuchte.

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Zu den frühesten und leidenschaftlichsten Anhängern der Serie gehören – auch in Deutschland – ihre schwulen Zuschauer, von denen sich nicht wenige Eddys Standard-Anrede „Sweety Darling“ zu Eigen gemacht haben. Dass „Ab Fab“ von Beginn mit größter Selbstverständlichkeit homosexuelle Figuren wie Eddys Ex-Ehemann oder ihren Sohn Serge einführte und beiläufig Themen wie Transsexualität oder die Homo-Ehe in die (übrigens stets hinter den Gags zurücktretende) Handlung einflocht, dürfte ein Grund dafür sein. Vielleicht auch Patsys Selbstbild als männerfressender Vamp, Eddys Vorliebe für Glamour und Luxus oder ganz allgemein die Freude an Champagner schon zum Frühstück.  „Abgesehen davon“, betont Saunders, „standen diese beiden Frauen immer beispielhaft für Menschen, die sich nicht das geringste bisschen darum scheren, was andere Leute von ihnen denken oder ob schlecht über sie geredet wird. So wie es ihnen selbst immer egal war, ob ihr Gegenüber homo, hetero oder sonst etwas war.“

Auch innerhalb der Unterhaltungsindustrie fand „Absolutely Fabulous“ früh eine große Anhängerschaft. Kam die erste Staffel noch komplett ohne prominente Gaststars aus, gab sich später mit steigender Frequenz Prominenz die Klinke in die Hand, von Britt Ekland und Naomi Campbell über Marianne Faithfull (als Gott) und Whoopi Goldberg bis hin zu Jean-Paul Gaultier und Elton John. Selbst wer innerhalb der Serie regelmäßig sein Fett weg bekam, ließ sich einen Auftritt nicht entgehen: Modedesigner Christian Lacroix, dessen knallbunte Entwürfe für einige Lacher gut sind, spielte mehrmals sich selbst, genau wie die selbstironischen Pop-Stars Lulu und Emma ‚Baby Spice‘ Bunton als Eddys lästige, weil erfolglose Klientinnen.

Foto: 20th Century Fox

Dass „Ab Fab“ auch darüber hinaus in der Popkultur bleibende  Spuren hinterlassen hat, ist unbestritten – und nicht nur bei Drag-Shows zu erkennen, wo immer mal wieder Patsy-Doppelgängerinnen zu entdecken sind. „Ich weiß, dass Sarah Jessica Parker und die Autoren von ‚Sex and the City‘ große Fans unserer Show waren, deswegen gefällt mir natürlich der Gedanke, dass wir ihrer Serie ein wenig den Weg bereitet haben“, lacht Saunders bei Erwähnung einer anderen Comedy-Serie, in der Freundinnen gerne zusammen trinken, in Mode schwelgen und kein Blatt vor den Mund nehmen. „Gemeinsam ist den Serien auch, dass sie Frauen zeigen, die für einander da und durchaus meinungsstark sind“, pflichtet Lumley ihr bei. „Mit dem Unterschied allerdings, dass es Eddy und Patsy nie auch nur im entferntesten darum ging, den Mann fürs Leben zu finden.“ Auch andere, zumal von Frauen-Duos getragene Sitcoms wie „2 Broke Girls“ oder die australische Kultserie „Kath & Kim“ dürften es dank des Erfolgs von „Absolutely Fabulous“ leichter gehabt haben, ihre Sendeplätze zu finden.

Eines der Erfolgsgeheimnisse, das die Serie von Anfang auszeichnete und auch nun in der Kino-Fortsetzung zu den großen Stärken gehört, ist die Chemie, die zwischen Saunders und Lumley unzerrüttbar stimmt. Dabei ist es reiner Zufall, dass Lumley – die zuvor durch weniger komödiantische Rollen im Bond-Film „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ oder der Neuauflage von „Mit Schirm, Charme und Melone“ bekannt geworden war – die Rolle der platinblond-überschminkten Patsy bekam. „Ich suchte damals nach der idealen Darstellerin und eine gemeinsame Freundin, die Komikerin Ruby Wax, empfahl Joanna“, berichtet Saunders. „Ich war etwas irritiert, denn ich konnte mir nicht recht vorstellen, dass Lumley komisch sein konnte. Ruby zeigte mir dann einen Sketch, den Joanna für ihre Sendung „The Wax Show“ gedreht hatte – und sie war tatsächlich umwerfend komisch. Sie spielte darin sich selbst, allerding vor die Hunde gekommen und schwer alkoholisiert. Das war perfekt, genau diesen Humor suchte ich.“

Foto: 20th Century Fox

Der Blick zurück auf „Absolutely Fabulous“ in seiner Gesamtheit – etwa dank der aktuell bei Polyband erschienenen, erstmals sämtliche Episoden und Specials umfassenden 10-DVD-Box – lohnt sich in jedem Fall auch heute noch, und das nicht nur wegen Saunders’ und Lumleys komödiantischem Timing. Die Gags sind (anders als die 90er-Kostüme und -Kulissen) bemerkenswert gut gealtert und haben nichts von ihrem lustvollen Biss verloren. Aber der bezeugt eben auch, wie sehr die Serie bisweilen thematisch ihrer Zeit voraus war. Wirkten Eddy und Patsy in ihrem unverblümt egoistischen und oberflächlichen Narzissmus vor 20 Jahren noch schockierend unverschämt und surreal, haftet ihnen heute – in Zeiten von Instagram-Selfies und Kardashian-Wahn – geradezu ein naiver Anachronismus an.

Trotzdem wäre es heute kaum möglich, eine Sendung wie „Ab Fab“ auf den Bildschirm zu bringen, meint Saunders: „Am Anfang gab es bei der BBC schon etliche ältere Herren, die nicht begeistert waren. Sie fanden betrunkene Frauen abstoßend und waren der Meinung, dass so etwas nicht auf den Bildschirm gehöre. Doch letztlich hat man uns einfach machen lassen, aller Risiken zum Trotz. Heute müsste man für eine solche Serie ständig Meetings mit Anzugträgern abhalten, Drehbücher abnicken lassen, Testszenen drehen. Alles würde überprüft und getestet und mit der Marktforschung abgeglichen. Ich wäre vermutlich nach fünf Minuten frustriert abgehauen und hätte mich lieber zuhause der Gartenarbeit gewidmet.“ Stattdessen schreibt sie nun im Kino dieses umwerfend komische Kapitel Fernsehgeschichte einfach weiter – und schließt es damit nicht zwangsläufig ab. „Warten wir mal ab“, gibt sie vielsagend mit Blick auf die Zukunft von Eddy und Patsy zu Protokoll. „Es würde mich wundern, wenn wir nicht noch einmal von den beiden hören.“

Zuerst erschienen in epd Film 09/2016.



Absolutely Fabulous – Der Film
von Mandie Fletcher
GB/US 2016, 92 Minuten,
deutsche SF,
20th Century Fox 



Absolutely Fabulous – Die komplette Serie
GB 1992-2012, 1506 Minuten,
deutsche SF, englische OF mit deutschen UT,
Polyband