Queerfilmfestival 2025

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Am 4. September startet in elf Städten das siebte Queerfilmfestival und lädt ein zur queeren Abenteurerreise um die Welt, mit Geschichten aus den Communities, für die Communities. Gezeigt werden 18 Filme in sieben Tagen, von einer bunt-krawalligen lesbischen Weltraumsaga aus Australien über eine genderfluide Rückkehr in die ostdeutsche Provinz bis zum schwulen Neo-Noir-Thriller aus Brasilien. Jojo Streb verschafft einen Überblick.

Bild: Salzgeber

Was für ein Trip!

von Jojo Streb

„Was ist denn hier für ein Affentheater, Mensch?” fragt eine entnervte Stimme am Anfang des Trailers. Die Antwort leuchtet kurz darauf in großen Lettern: „Genug entschuldigt! Unsere Geschichten, unsere Ideen, unsere Träume.” Prägnanter könnte das Motto des diesjährigen Queerfilmfestivals kaum sein: Hier geht es um queere Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein und um Eigenbestimmung – mit Geschichten über unsere Communities, aus der Hand von Filmemacher*innen, die selbst Teil der Communities sind. Kurz: Es geht um uns.

Zum siebten Mal schon ruft Festival das Publikum mit dem Versprechen auf die „besten queeren Filme des Jahres” in die Kinos: In elf Städten gleichzeitig und insgesamt 16 Kinos, eine Woche lang ab dem 4. September. Während draußen der deutsche Spätsommer langsam ins Herbstliche kippt, sollen die Leinwände Räume öffnen, die weit über jede Jahreszeit hinausweisen – in Berlin, Köln, Düsseldorf, Potsdam, Halle, Leipzig, Dresden, Stuttgart, Nürnberg, Frankfurt und Wien. Hier lassen sich die Realitäten queerer und trans Personen rund um den Globus entdecken – bequem vom Kinosaal aus, aber mitten im Leben.

Los geht die Reise durchs queere Universum passenderweise im Weltall: Der Eröffnungsfilm „Lesbian Space Princess” von Leela Varghese und Emma Hough Hobbs aus Australien katapultiert uns direkt auf den knallbunten Planeten Clitopolis. Dort muss die lesbische Prinzessin Saira ihre Geliebte Kiki aus den Klauen der Straight White Maliens retten – den Incels der Zukunft. Ein queeres Sci-Fi-Musical mit Lust auf Krawall, verspielt, anarchisch, politisch und unglaublich witzig.

Aus der Schwerelosigkeit herab tauchen wir in die Dämpfe einer Schwulensauna in Kopenhagen ein. „Sauna” von Mathias Broe wirft einen lustvollen, aber schonungslosen Blick auf Männlichkeitsbilder unter Schwulen und die fehlende Inklusion von trans Personen. Der Film zeigt, wer aus Gemeinschaften ausgeschlossen wird – und wie dringend die Debatte über Körperbilder, Begehren und Zugehörigkeit weitergeführt werden muss.

Weiter geht’s in Deutschland: Rosa von Praunheim liefert mit „Satanische Sau” eine groteske Parodie auf sein eigenes Leben – Farce, Selbstinszenierung, ein queerer Urknall, der zeigt, wie unverkrampft die Regie-Legende ihr Publikum immer noch immer provozieren kann. In „Scham” dagegen legt mit dem Regisseur Lukas Röder eine ganz neue Stimme ihre Perspektive offen: Der schon beim Max Ophüls Festival gefeierte Film ist ein eindringliches Plädoyer gegen das Schweigen und macht die Langzeitfolgen sexueller Gewalt sichtbar.

Bild: Salzgeber

Auch Lotta Schwerk ist neu auf der Festivalbühne: In „Ninja Motherf*cking Destruction” begleitet sie queeres Erwachsenwerden: Freundschaft, erste Liebe, Depression und Isolation fließen zusammen in einer authentischen Coming-of-Age-Studie. Aufs Land entführt uns dann „Janine zieht aufs Land” von Jan Eilhardt: Die selbst genderfluide Regieperson zeigt, wie Janine nach Jahren zurückkehrt in ihr Heimatdorf und dort auf dieselbe toxische Maskulinität trifft, der sie einst entkommen wollte. Nur, dass sie diesmal entschlossen ist, um Selbstermächtigung und Zugehörigkeit zu kämpfen.

Aus der ostdeutschen Provinz geht es weiter nach Paris: In der Bestsellerverfilmung „Love Me Tender” von Anna Cazenave Cambet erlebt eine frühere Anwältin einen Spätsommer, in dem sie um Freiheit, ihre Liebe zu Frauen und das Sorgerecht für ihren Sohn Paul kämpft. Emotional, direkt und getragen von Vicky Krieps, öffnet der Film einen Blick auf Selbstbestimmung, Mutterschaft und gesellschaftliche Erwartungen.

Mit einem Schwenk an der Côte d’Azur landen wir bei „Enzo” von Robin Campillo und Laurent Cantet: Der 16-jährige Titelheld rebelliert still gegen seine bourgeoise Umgebung. Beim Jobben auf einer Baustelle entdeckt der handwerklich absolut unbegabte Enzo seine Zuneigung zu Vlad, einem älteren ukrainischen Kollegen, der ihm neue Perspektiven auf Identität, Begehren und Freundschaft eröffnet. Poetische, sonnengetränkte Bilder machen aus der Coming-of-Age-Geschichte eine gefühlvolle Reise zwischen Selbstfindung und Erwachsenwerden.

Bild: Salzgeber

Dann heißt es: auf nach Mittel- und Osteuropa. ”Mauern aus Sand” von Čejen Černić Čanak begleitet eine queere Liebesgeschichte in einem kroatischen Dorf. Der Teenager Marko hinterfragt dort sein sorgfältig konstruiertes Selbstbild, als alte Gefühle aufbrechen. Liebe als Naturgewalt durchbricht Dämme, politischer Druck trifft auf persönliche Sehnsüchte – ein melancholisch-poetisches Portrait von queerer Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen.

In Island erkundet „Skinny Love” von Sigurður Anton Friðþjófsson die Beziehung zwischen der bisexuellen Influencerin Emilý und der Geochemikerin Katinka: Online-Belästigung, finanzielle Sorgen und Katinkas Umzug auf die Insel werden zu Prüfsteinen ihrer Liebe und ihrer Lust. Mit Humor, Leidenschaft und Authentizität erzählt der Film entspannt davon, wie junge queere Menschen ihren Weg zwischen Träumen, Selbstfindung und dem Alltag finden.

Ein letzter europäischer Schwenk: In „Dreamers” von Joy Gharoro-Akpojotor finden zwei Frauen im britischen Abschiebezentrum von Hatchworth trotz bürokratischer Härten und existenzieller Unsicherheit zueinander. Ein mitreißender Debütfilm aus der unmittelbaren Gegenwart, der Lebensmut gegen die Härten des Systems setzt. Der israelische Klassiker „Amazing Grace” von Amos Guttman aus dem Jahr 1992 zeigt dann, dass auch ein Blick in die Vergangenheit lohnt, um das Heute zu verstehen: Gerahmt von einer melancholischen Liebesgeschichte hat der Film damals zum ersten Mal überhaupt von den Auswirkungen von Aids auf die Gesellschaft Israels erzählt. Eine Zeitkapsel aus einer Welt, die heute eine andere ist – und über die der erklärte Establishment-Gegner Guttman, der viel zu früh an den Folgen von Aids starb, heute sicher eine Menge zu sagen hätte.

Vom Nahen Osten geht es weiter nach Indien: „Kaktusfrüchte” von Rohan Parashuram Kanawade zeigt die zarte Liebe zwischen dem Call-Center-Mitarbeiter Anand und seinem Jugendfreund Balya, die in ihrem kleinen Heimatort aufeinandertreffen, als Anand nach dem Tod seines Vaters mitten in der Trauerarbeit steckt. Eine Geschichte über Verlust, Familie und das Überwinden von Erwartungen – und ein Film, der sich anfühlt wie eine warme Umarmung. Wilder geht es zu im Hongkong, das ”Queerpanorama” von Jun Li präsentiert: Hier geht es um die Vielfalt urbaner queerer Räume, Identitätsspiele und die Notwendigkeit, sich sichtbar zu machen. Und ganz nebenbei um sehr viel schwulen Sex.

Bild: Salzgeber

Über den Atlantik fliegen wir nach Nordamerika: In New York erleben wir mit ”Drunken Noodles” von Lucio Castro, wie der Kunststudent Adnan zwischen Hook-Ups, alten Lieben und der Galerieszene pendelt. Funken von Begehrlichkeit, Sehnsucht und Nähe entzünden sich zwischen Häuserschluchten und einem geheimnisvollen, verwunschenen Wald. Ein anderes New York zeigt dann „Peter Hujar’s Day” von Ira Sachs. Denn der lässt Anfang der siebziger Jahre den berühmten Fotografen Peter Hujar von seinem Tag erzählen – von stiller Intimität, Kunst und Sichtbarkeit inmitten des Alltags.

Schließlich erreichen wir Südamerika. In Rio de Janeiro zeigt „Alles was brennt” von Felipe Sholl, wie ein junger Literaturdozent in die pulsierende queere Szene eintaucht, sich in einen Sexarbeiter verliebt, und dabei fast in dessen Welt verliert. Weiter südlich in Porto Alegre entfaltet „Night Stage” von Filipe Matzembacher und Marcio Reolon dann nachts die verhängnis- wie lustvolle Affäre zwischen einem jungen Schauspieler und einem aufstrebenden Politiker – Neonlicht, Elektro-Soundtrack und perfomative Ekstase sprengen das Korsett der heteronormativen Alltagswelt.

Am Ende dieser queeren Weltreise bleibt die Erkenntnis: Wir sind überall und haben viel zu erzählen – über uns selbst; darüber wie wir miteinander umgehen; und wie wir der Welt um uns herum begegnen. Und in dieser Vielfalt, in der Summe all dieser Stimmen und Geschichten, malt das Queerfilmfestival ein unverwechselbares, kraftvolles und lebensbejahendes Bild von Widerstand, Mut und Selbstbestimmung. Was für ein Trip! Viel Vergnügen.




Queerfilmfestival 2025
vom 4.–10. September
in 16 Kinos in Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Potsdam, Stuttgart, Leipzig, Dresden, Halle, Nürnberg, Wien
Das Programm kann von Kino zu Kino variieren

Das ganze Programm gibt es auf queerfilmfestival.net