Battle of the Sexes – Gegen jede Regel

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Am 20. September 1973 kommt es im Astrodome in Houston zu einem der größten Spektakel der Sportgeschichte: Billie Jean King, die Nummer 1 im Frauentennis, duelliert sich mit Bobby Riggs, einem abgehalfterten Wimbledon-Champion und notorischen Zocker. Das Match, das die Medien unter dem Titel „Battle of the Sexes“ zum Megaevent aufgebauscht haben, sehen über 90 Millionen live im Fernsehen. King gewinnt deutlich und wird für ihren Erfolg als Ikone der Frauenbewegung gefeiert. Gerüchte, Riggs habe absichtlich verloren, um seine Spielschulden zu begleichen, schmälern Kings Sieg nur unerheblich. „Battle of the Sexes – Gegen jede Regel“ entwickelt aus dem spektakulären Geschlechterkampf auf dem Tennis-Court die persönliche Emanzipationsgeschichte von King, die mit der Gründung der noch heute maßgebenden WTA-Tour nicht nur das professionelle Damentennis fast im Alleingang erfand, sondern später auch eine der ersten offen lesbischen Profi-Sportlerinnen war. Das mit Stars (Emma Stone, Steve Carell, Alan Cumming) gespickte Biopic bietet eine hinreißende queere Liebesgeschichte und ist eine smarte Auseinandersetzung mit der zweiten Welle des Feminismus, hätte aber auch bei seinen Männerfiguren gerne etwas kritischer sein dürfen.

Foto: 20th Century Fox

Spiegel, Satz und Sieg

von Beatrice Behn

Es gibt in „Battle of the Sexes“ diesen einen Moment, in dem Billie Jean King (dargestellt von Oscar-Preisträgerin Emma Stone) im Frisörsalon sitzt und in den Spiegel blickt. Und dort sieht sie sich nicht als Mensch, sondern als Symbol, als Objekt vieler Begierden und Inhaberin vieler Rollen: Billie Jean, die Ikone und Weltranglistenerste im Frauentennis. Billie Jean, die feministische Aktivistin, die soeben unter viel Gelächter und verstecktem Hass die erste Frauenliga gegründet hat und jetzt dafür sorgen muss, dass deren erste Tour erfolgreich ist. Billie Jean, die Unternehmerin, die die anderen Frauen, die mit ihr ins Ungewisse gehen, irgendwie durchbringen muss. Billie Jean, die Werbeträgerin, die eine neue, ‚weibliche‘ Frisur braucht, denn die neue Frauenliga muss eben mit weiblichen Reizen an den Mann gebracht werden.

Der Spiegel verrät an dieser Stelle noch etwas: Billie Jean ist unwohl mit diesen Zuschreibungen. Nicht, weil sie nicht stimmen, sondern weil da etwas fehlt: die private Billie Jean. Denn die ist zwar offiziell glücklich verheiratet mit Larry, der sie auch managt, aber das ist nicht genug. Etwas fehlt. Und in diesem Moment betritt Marilyn die Spiegelfläche und damit die Welt Billie Jeans. Da ist sie, gekommen aus dem Nichts, die fleischgewordene Erkenntnis und das fehlende Puzzlestück, mit ihren langen, blonden Haaren, ihrem weichen Gesicht, den Händen, die durch Billie Jeans Haare gleiten, und diesen braunen Augen, die in der Spiegelung Billie Jeans Blick suchen und finden. Mit ihr kommt dieses neue, überwältigende Gefühl von queerem Begehren, gefolgt von der Wucht einer scheinbar neuen Selbsterkenntnis. Es ist ein dreifaches Coming-out, fein eingewebt in diese Spiegelblicke: das Erkennen und Akzeptieren ihrer eigentlichen Sexualität, das geradezu feinstoffliche Teilen ihres Begehrens mit Marilyn, die noch immer in ihren Haaren spielt, und die Erlaubnis, das Publikum hier teilhaben zu lassen.

Foto: 20th Century Fox

Selten zeigt das Kino den exakten Moment homosexueller Selbsterkenntnis. In „Battle of the Sexes“ ist er nicht nur ein exquisites Spiegelstück, sondern auch der wichtigste Augenblick des Films, wenn man ihn auf seine Unterströme durchsucht. Denn in dieser Diskrepanz von Billie Jean Kings offiziellem Image und ihrer privaten, queeren Persona findet sich ein von den FilmemacherInnen Valerie Faris und Jonathan Dayton clever eingebauter Bruch in dieser ansonsten allzu glatten feministischen Heldinnen-Saga. Ja, in der Tat, ‚queer‘ wird hier in seiner ursprünglichen Bedeutung benutzt. Es ist die Abweichung von der damals offiziellen Billie-Jean-King-Story, die eben auch ein wichtiges Narrativ der damaligen Frauenbewegung der ‚zweiten Welle‘ war, die Kings Geschichte so bedeutsam macht. An der Oberfläche mag es die Geschichte einer jungen Frau sein, die sich dafür eingesetzt hat, dass sie und ihre Kolleginnen gleichberechtigt bezahlt werden und die deshalb ihre eigene Liga gründete. Die Geschichte von David gegen Goliath, von King gegen Riggs, die sich auf einem Tennisplatz austrug, vor den Augen von 30.000 geifernden Zuschauern. Die Geschichte einer Frau gegen einen Mann, der hinter sich sein gesamtes Geschlecht in heimelig-wärmender Frauenfeindlichkeit und unterhaltsamen Sexismus in die PR-Schlacht führt. Und es wäre recht einfach sowie für Hollywood eigentlich üblich, Kings Homosexualität hier zu ignorieren, wurde sie doch erst Jahre später bekannt.

Foto: 20th Century Fox

Aber indem Kings queeres Begehren eingebracht und in seiner Komplexität gezeigt wird, beteiligt sich dieser Film bewusst nicht an der Schönzeichnung der damaligen feministischen Bewegungen. „Battle of the Sexes“ zeigt deutlich, dass Billie Jean King nicht nur gegen misogyne, sexistische Männer antreten musste, sondern auch gegen ihre vermeintlichen Verbündeten. Marilyn folgt Billie Jean alsbald als Tour-Stylistin – und als heimliche Geliebte. Dies bringt Billie Jean in große Bedrängnis. Nicht weil sie mit ihrer Homosexualität hadert, sondern weil sie nicht noch eine weitere Front eröffnen kann. „You need to pick your fights“, sagte die Ikone einst selbst. Und ihr Bauchgefühl wird bestätigt durch die hasserfüllten Blicke ihrer Kollegin Margaret Court, die, Ironie des Schicksals, gegen Bobby Riggs vor Billie Jean in einem Match antritt und beim sogenannten „Muttertags-Massaker“ völlig versagt.

Damit erlaubt sich „Battle of the Sexes“ erneut eine Spiegelfunktion, denn das Versagen, die Vorurteile und der Konservatismus der damaligen, ‚zweiten Welle‘ des Feminismus spiegeln sich in der heutigen ‚vierten‘ wider. Umso wichtiger also, dass man als ZuschauerIn durch Billie Jean Kings Queerness ein Mittel in die Hand bekommt, ihre Erfolge auch als eine Geschichte des Versagens einer Bewegung zu verstehen. Denn damals wie heute ist die Unfähigkeit oder der Unwillen zur Intersektionalität das wohl größte Problem der Frauenbewegung(en). Dies gilt nicht nur für queere Frauen. Es gilt vor allem auch für Frauen*, die nicht weiß, nicht gebildet, nicht christlich, nicht biologisch weiblich geboren, nicht aus der westlichen Hemisphäre sind und von dem derzeitig vorherrschenden ‚white feminism‘ ausgeschlossen werden.

Foto: 20th Century Fox

Daher evoziert Kings Kampf beim queeren Sehen unangenehm bekannte Gefühle, selbst im Feminismus nicht ganz integriert zu sein, die sich hoffentlich auch als Erkenntnis beim nicht-queeren Publikum niederschlagen. Und wenn wir schon dabei sind, HeldInnen-Geschichten endlich in ihrer Komplexität zuzulassen und sie so auch zu dekonstruieren, dann bitte doch auch bei Männern. Denn so gut Faris und Dayton sich hier am Feminismus abarbeiten, so elendig versagen sie beim Maskulismus. Einen Mann wie Bobby Riggs, der ein Geschäft aus Frauenhass, Sexismus und Demütigungen gemacht hat, als eigentlich doch netten Kerl zu proklamieren, der es doch nicht so meint, läuft den hier beschriebenen Tendenzen des Filmes dann doch extrem zu wider und führt am Ende dazu, dass die queere Frau sich in all ihrer chaotischen Menschlichkeit offenbaren muss, während er von all dem nur oberflächlich tangiert wird und verschont bleibt. Wenn man sich schon vom Reinwaschen der Vergangenheit lossagt, dann bitteschön auch richtig radikal und überall.




Battle of the Sexes – Gegen jede Regel
von Jonathan Dayton & Valerie Faris
US 2017, 121 Minuten,
deutsche SF, englische OF mit deutschen UT

20th Century Fox

Ab 23. November hier (SF), hier (OmU) und hier (OV) im Kino.

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